Vermischtes

Gewaltzunahme gegen Klinikpersonal in Norddeutschland

  • Montag, 12. Februar 2024
/dpa
/dpa

Hamburg – In Hamburg, Niedersachsen und Bremen hat die Gewalt gegen Mitarbeiter in Krankenhäusern zugenommen. Die Politik wird zum Handeln aufgerufen.

Es gebe aus den Krankenhäusern Rückmeldungen, dass die Zahl der Übergriffe steige, teilte die Krankenhaus­gesellschaften Niedersachsen (NKG) mit. Die Gewalt gehe von Patientinnen und Patienten sowie auch von den Angehörigen aus. Auslöser seien häufig als zu lang empfundene Wartezeiten.

„Angriffe auf Klinikpersonal erfolgen am häufigsten in den Notaufnahmen“, teilte die NKG mit. Nach Einschät­zung des Verbands suchen Menschen auch in Bagatellfällen Notaufnahmen auf. Das könne damit zusammen­hängen, dass die Patienten in Arztpraxen abgewiesen worden seien, Praxen geschlossen hätten und in ländli­chen Regionen fehlten. „Dies führt im Ergebnis zu immer längeren Wartezeiten in den Notaufnahmen und zu mehr Konfliktpotenzial.“

Die Krankenhausgesellschaft der Freien Hansestadt Bremen (HBKG) äußert sich übereinstimmend mit der NKG. „Die Zahl der Besucher in den Krankenhäusern, die mit Gewalt Probleme lösen wollen, hat leider zuge­nommen“, heißt es aus Bremen.

Das Personal erfahre verbale, physische und psychische Gewalt. Mitarbeitern böte man Gespräche zur Aufar­bei­tung sowie Übungen zur Deeskalation und Selbstverteidigung an. Zudem offeriere die Polizei Beratung. Sicherheitspersonal werde in einzelnen Bereichen bereitgehalten.

Hintergrund der Gewalt seien erhöhte Ansprüche der Patienten. Die Wünsche der Menschen kollidierten mit einer Unterversorgung der Krankenhauslandschaft, teilte die HBKG mit. Die HBKG ist nicht zuversichtlich, dass sich die Situation bessern wird. Sie verweist auf eine fehlende finanzielle Absicherung der Häuser.

Die NGK fordert, dass die angespannte Situation in den Notaufnahmen entschärft wird. „Die Politik muss han­deln und die Notfallversorgung grundlegend reformieren“, heißt es. Patienten sollten anders als bislang ge­steuert werden. Das Personal müsse entlastet werden. Statistiken zu Gewalt in Krankenhäusern lagen der NKG und der HBKG nicht vor.

Konkretere Zahlen gibt es hingegen aus Hamburg. Dort wurden in den vergangenen fünf Jahren jeweils mehr als 100 gewaltsame Übergriffe auf Ärzte und Pflegepersonal gezählt. Nach Angaben des Senats nahm die Zahl der Fälle im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) besonders stark zu, und zwar von elf im Jahr 2021 auf 34 im Jahr 2022 und auf 70 im vergangenen Jahr.

In den sieben Asklepios-Kliniken werden die Übergriffe auf medizinisches Fachpersonal nicht vollständig statistisch erfasst. Sie summierten sich aber pro Jahr auf eine Zahl im niedrigen dreistelligen Bereich, hieß es. In den übrigen Hamburger Krankenhäusern wurden nur wenige Vorkommnisse erfasst.

In den allgemeinen Kliniken von Asklepios bewegten sich die Fälle jeweils im einstelligen Bereich, sehr viel häufiger dagegen seien die Beschäftigten in Psychiatrien Angriffen ausgesetzt, teilte der Senat auf eine Klei­ne Anfrage der AfD-Bürgerschaftsfraktion mit.

Auch in den überlaufenen Notaufnahmen komme es häufiger zu Gewalt, erklärte ein Asklepios-Sprecher. Pa­tienten, die dort nicht hingehörten, müssten manchmal länger warten, weil ernste Fälle vorgezogen würden. Diese Patienten können dann „extrem unzufrieden“ sein.

Die erhebliche Zunahme der Fälle im UKE könnte mit einem genaueren Erfassungssystem seit Herbst 2022 zusammenhängen. Seitdem gebe es einen Erhebungsbogen und die Mitarbeiter seien noch einmal für ent­spre­chende Vorfälle sensibilisiert worden, teilte eine Sprecherin des Klinikums mit.

Die genannten Daten sollten aber auch in Relation zu den 543.000 Patienten gesetzt werden, die jährlich im Klinikum behandelt werden. Zum großen Einzugsbereich der Klinik gehörten der Hauptbahnhof und der Stadt­teil St. Pauli. Von dort komme der eine oder andere Patient mit eher gewaltbereitem Hintergrund. Die Sprecherin betonte zugleich: „Der allergrößte Teil der Patienten geht immer freundlich mit dem Personal um.“

Die Zahl der Angriffe auf Hamburger Feuerwehrleute und Rettungspersonal hat im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. Laut der polizeilichen Kriminalstatistik für 2023 wurden 94 Mitarbeiter Opfer von Gewalt. Im Vorjahr waren es 76 gewesen, woraus sich ein Anstieg von 23,7 Prozent ergibt. Allerdings war die Zahl der Gewaltopfer bei Feuerwehr und Rettungsdiensten in den Jahren 2018 bis 2020 noch höher als im vergangenen Jahr.

Die Leitungen der Krankenhäuser versuchen seit Jahren, der Gewalt entgegenzuwirken. Für die Mitarbeiter gibt es Meldesysteme, Fortbildungen und Schulungen in Deeskalation. Das UKE hat seit 2007 einen hauseige­nen Sicherheitsdienst. Bei Bedarf würden zusätzlich private Sicherheitsdienste engagiert, hieß es in der Senats­antwort.

Auch in allen sieben Asklepios-Kliniken ist Sicherheitspersonal im Einsatz. Der Asklepios Kliniken Hamburg GmbH entstehen dadurch pro Jahr Kosten im hohen einstelligen Millionenbereich. Nächtliche Sicherheits­dienste gibt es im Marienkrankenhaus und im Agaplesion Diakonieklinikum.

dpa/EB

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung