Politik

Glücksspielatlas soll Politik Orientierungspunkte geben

  • Montag, 13. November 2023
/picture alliance, Bernd Thissen
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Berlin – In Politik und Öffentlichkeit ist noch nicht ausreichend bekannt, wie hoch das Suchtrisiko durch Glücksspiel ist. Dies sagte heute Burkhard Blienert, Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogen­fragen, bei der Vorstellung des Glücksspielatlas 2023.

Vor allem in Bezug auf das illegale Automaten- und Onlinespiel, Sportwetten und Werbung für das Glücks­spiel sieht der Bundesdrogenbeauftragte dringenden Handlungsbedarf. Jugendliche und Spieler müssten stärker geschützt werden, sagte er.

Dem neuen Glücksspielatlas zufolge nehmen 30 Prozent der Bevölkerung in Deutschland an Glücksspielen teil. 1,3 Millionen Deutsche haben demnach eine Glücksspielstörung, weitere drei Millionen spielen riskant. An Geldspielautomaten sind vier von zehn Spieler von einer Glücksspielstörung betroffen.

„Es stehen circa 40.000 bis 50.000 illegale Glücksspielautomaten in Hinterräumen versteckt“, sagte Blienert. Dies sei zum Beispiel im Gastronomiebereich der Fall. Von außen sei meist nicht erkennbar, ob es sich um ein legales oder ein illegales Gerät handele.

Auch sogenannte „Fungames“, die vom Betreiber stundenweise aufgestellt und schnell wieder abgebaut wer­den könnten, stellten ein Problem dar. „Illegales Spiel bedeutet schutzloses Spiel“, erklärte er. Hier bestehe weder Jugend- noch Spielerschutz. Der Rechtsstaat müsse gegen solche Rechtsbrüche stärker vorgehen können.

Zudem müssten Jugendliche besser vor dem Glücksspiel geschützt werden, forderte Blienert. Es sei für die jüngere Generation noch viel zu sichtbar. Als Beispiel nannte er unter anderem „Lootboxen“ in Onlinegames: Die Kästen würden in scheinbar harmlosen Spielen unvermittelt erscheinen und zum Glücksspiel locken, be­richtete er. „Hier brauchen wir in Deutschland wirkungsvolle Jugendschutzregelungen.“

Sorge bereiten dem Bundesdrogenbeauftragten in dieser Hinsicht auch Sportwetten. Durch die unmittelbare Verquickung von Sport und Sportwetten finde eine gefährliche Verharmlosung statt. „Das ist alles zu positiv besetzt“, kritisierte er.

Werbung für Sportwetten seien vor, während und nach der Sportberichterstattung zu sehen und damit auch für Kinder und Jugendliche unmittelbar zugänglich. Blienert schlug deshalb vor, Sportwettenwerbung im Fern­sehen vor 23 Uhr zu verbieten.

Daneben würden jedoch noch weitere wirkungsvolle Maßnahmen gebraucht. Neben Prävention müsse man vor allem die Öffentlichkeit und auch die Politik besser über die Glücksspielsucht informieren und über die Gefahren aufklären.

Der neue Glücksspielatlas bildet relevante Daten, Zahlen und Fakten rund um das Glücksspiel in Deutschland ab und soll Blienert zufolge „eine gute Grundlage für die Diskussion über den richtigen Umgang mit dem Glücksspiel und seinen Folgen“ bilden.

„Der Glücksspielatlas Deutschland 2023 eignet sich hervorragend als sachgerechte und fundierte Informa­tionsquelle sowohl für die Fachwelt und die Politik als auch für eine interessierte Öffentlichkeit“, sagte auch Christina Rummel, Geschäftsführerin der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) in Hamm, im Rahmen der Vorstellung.

Christian Schütze, Politikwissenschaftler am Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung in Ham­burg (ISD) und Mitherausgeber des Glücksspielatlas, ergänzte, dass der erstmals in dieser Form erschienene Glücksspielatlas verschiedene Bereiche miteinander verknüpfe.

Neben einer Übersicht zum Glücksspielangebot in Deutschland gebe er Aufschluss über das Glücksspielrecht, die Nachfrage, Sucht und Präventionsangeboten, verbunden mit vielen Illustrationen. „Damit bietet er für Ent­scheider und alle Interessierten einen leichten Zugang zu den wichtigsten Fakten in diesem umstrittenen Politikfeld“, betonte er.

Tobias Heyer, Leiter der Arbeitseinheit Glücksspielforschung an der Universität Bremen und ebenfalls Heraus­geber des neuen Übersichtswerks, fügte hinzu, dass der Glücksspielatlas wichtige Orientierungspunkte biete, welche präventiven Ansatzpunkte und Maßnahmen des Spielerschutzes sich als zielführend erweisen könn­ten. „Darüber hinaus beinhaltet er einen kompakten Überblick über alle Anlaufstellen im Hilfesystem für Personen mit einer Glücksspielproblematik und ihre Angehörigen.“

nfs/dpa/afp

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