Grauer Star: Ältere Frauen haben nach Operation niedrigeres Sterberisiko

Los Angeles – Eine Operation am grauen Star erhält nicht nur das Augenlicht. Die Implantation einer Kunstlinse war in einer großen prospektiven Beobachtungsstudie in JAMA Ophthalmology (2017; doi: 10.1001/jamaophthalmol.2017.4512) auch mit einem verminderten Sterberisiko assoziiert.
Der graue Star (Katarakt) ist heute die häufigste Ursache für nicht refraktäre Sehstörungen im Alter. Die Behandlung besteht in der Entfernung der getrübten Linse und dem Austausch durch eine Kunstlinse. Die Implantation einer Intraokularlinse ist ein risikoarmer Eingriff, der in Deutschland etwa 600.000 Mal im Jahr durchgeführt wird.
Doch nicht alle Menschen mit einer Katarakt lassen sich operieren. Von den 74.044 Teilnehmerinnen der Women’s Health Initiative, bei denen die Ärzte eine Katarakt diagnostiziert hatten, ließen sich bisher nur 41.735 eine Kunstlinse implantieren. In dieser Gruppe ist es bisher zu 1,52 Todesfällen auf 100 Personen-Jahre gekommen. Unter den 32.309 Frauen die (bisher) nicht operiert wurden, betrug die Inzidenz 2,56 Todesfälle pro 100 Personen-Jahre.
Das Team um Anne Coleman vom Stein Eye Institute in Los Angeles errechnet eine adjustierte Hazard Ratio von 0,40, die mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,39 bis 0,42 statistisch hochsignifikant war. Weitere Analysen zeigten, dass die operierten Frauen seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Unfällen, neurologischen Erkrankungen, Lungenerkrankungen und Infektionen gestorben waren.
Doch warum sollte ein Mensch früher sterben müssen, wenn er keine Intraokularlinse erhält? Die Studie kann diese Frage nicht beantworten. Frühere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass Sehstörungen durch eine unbehandelte Katarakt das Risiko von Stürzen bei älteren Menschen erhöht. Die Behinderung in einem der wichtigsten Sinnesorgane könnte auch die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen, was einen ungesunden Lebensstil zur Folge haben kann. Ein Einfluss ist in vielen Aspekten möglich. Die Sehstörungen könnten die Betroffenen von der regelmäßigen Einnahme der Medikamente oder von notwendigen Arztbesuchen abhalten. Die Sehstörungen könnten auch den Lebensmut senken und die Entwicklung von Depressionen fördern.
Es ist aber auch umgekehrt möglich, dass Menschen mit einem gesünderen Lebensstil eher bereit sind, sich im Fall einer Katarakt operieren zu lassen, da dies ihre Lebensqualität verbessert. Die Studie kann diese umgekehrte Kausalität nicht ausschließen.
Die Women’s Health Initiative gehört allerdings zu den sorgfältigen Beobachtungsstudien, die eine Reihe von Begleitfaktoren berücksichtigt. Keine der erfragten Krankheiten oder Lebensgewohnheiten konnte jedoch die erhöhte Sterblichkeit der Frauen erklären, die bisher nicht operiert wurden. Ihr Gesundheitszustand war sogar etwas besser als bei den Frauen, die eine Kunstlinse erhalten haben (was jedoch auch daran liegen könnte, dass gesundheitsbewusste Frauen häufiger zum Arzt gehen und deshalb mehr Krankheiten bei ihnen diagnostiziert werden).
Was auch immer die erhöhte Lebenserwartung der Träger von Intraokularlinsen erklären mag. Eine rechtzeitige Operation des grauen Stars dürfte auf jeden Fall zu einem gesunden Altern gehören.
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