Große Koalition streitet über bessere Bezahlung für Pflegekräfte

Berlin – Die Schaffung attraktiverer Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte sorgt für Krach innerhalb der Bundesregierung. Weil bisherige Bemühungen für eine bessere Finanzierung des Pflegepersonals gescheitert sind, hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nun ein Pflege-Tariftreue-Gesetz vorgeschlagen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ärgert sich darüber.
Im Entwurf von Heil ist vorgesehen, dass Versorgungsverträge nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden sollen, die ihren Beschäftigten im Pflege- und Betreuungsbereich eine Entlohnung zahlen, die in Tarifverträgen oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbart ist.
Bei nicht tarifgebundenen Einrichtungen darf die Bezahlung das Niveau des Tarifvertrags demnach nicht unterschreiten. „Eine höhere als die in dem angewendeten Tarifvertrag vorgesehene Entlohnung ist zulässig“, heißt es in dem Entwurf weiter.
Er schlage vor, „die Versorgungsverträge in der Pflege an eine tarifliche Bezahlung der Pflegekräfte zu binden“, schreibt Heil auch in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. Das Gesetz solle nach seinen Vorstellungen noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden.
„Eine tarifliche Entlohnung der Beschäftigten würde nach meiner Überzeugung zu einer nachhaltigen Verbesserung der Arbeitssituation in der Pflege führen“, so Heil. Bessere Löhne machten den Beruf attraktiver. Sie erleichterten es, dringend benötigte Fachkräfte für die Altenpflege zu gewinnen und im Beruf zu halten.
Grund für den Vorstoß ist aus Sicht von Heil, dass alle bisherigen Versuche der Regierung, die Situation der Pflegekräfte in der Altenpflege zu verbessern, gescheitert sind. Zwar habe man mit dem Pflegelöhneverbesserungsgesetz einen gemeinsamen Weg eingeschlagen, die Attraktivität des Pflegeberufs zu steigern, schreibt Heil weiter.
„Leider wurde aber der dort vorgesehene und erleichterte Weg zu besseren Löhnen innerhalb der Branche zu kommen, bisher nicht beschritten.“ Im Gegenteil sei es zu seinem großen Bedauern nicht zu einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag in der Pflege gekommen.
Eine bessere Bezahlung dringend benötigter Pflegekräfte ist erklärtes Ziel der Großen Koalition. In der Altenpflege mit rund 1,2 Millionen Beschäftigten bekommt laut Arbeitsministerium nur knapp die Hälfte Tariflohn. Ein Anlauf für einen Tarifvertrag, den Heil für die ganze Branche verbindlich machen wollte, war zu Jahresbeginn gescheitert.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte gestern, ein Reformentwurf liege längst vor. Im Gegensatz zu Heils Plan würden dabei auch die Interessen der Pflegebedürftigen berücksichtigt. „Wir alle wollen Pflegekräfte besser bezahlen. Aber das darf nicht auf Kosten der Schwächsten unserer Gesellschaft gehen“, sagte Spahn. Wer Tarifbezahlung wolle, müsse die Eigenanteile deckeln. Und dazu sollte sich Finanzminister Olaf Scholz (SPD) endlich mal verhalten.
Medienberichten zufolge beziffert das BMG die Mehrkosten der Pläne von Heil auf 1,1 Milliarden Euro für Pflegebedürftige und deren Angehörige. Eine bessere Bezahlung der Beschäftigten werde ohne weitere Regelungen eins zu eins zulasten der Pflegebedürftigen gehen, sagte das Ministerium den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Daher sei es für den Bundesgesundheitsminister unbedingt nötig, gleichzeitig mit einer besseren Bezahlung der Pflegekräfte auch die Pflegebedürftigen zu entlasten.
Spahn betonte heute, er strebe ein Gesetz noch in dieser Legislaturperiode an. Gerade werde viel Tempo beim Thema Klimaschutz gemacht, die Pflegekräfte hätten „genauso viel Tempo verdient“, sagte der Minister in Berlin. Er nannte es zugleich „betrüblich“, dass der Arbeitsminister am Wochenende einen eigenen Gesetzesvorschlag gemacht habe. Spahn sagte, der Vorstoß Heils sei seinem Ministerium nicht bekannt gewesen. Das Thema sei viel zu wichtig, „um es mit solchen Manövern zu verknüpfen“, kritisierte er seinen Kabinettskollegen.
Spahn verwies heute erneut darauf, dass sein Ressort schon vor Wochen einen Vorschlag für eine regelhafte Tarifbezahlung in der stationären und ambulanten Altenpflege gemacht habe. Man werde nun den Koalitionsfraktionen konkrete Vorschläge machen. Das Thema könne bei laufenden Gesetzgebungsvorhaben im Gesundheitsbereich entsprechend ergänzt werden. Dann müsse der Bundestag entscheiden, „ob er das jetzt noch vor der Wahl umsetzen will oder nicht"“ Spahn betonte: „Ich kann nur dafür werben.“
Spahn hatte im Herbst des vergangenen Jahres erste Eckpunkte für eine Pflegereform vorgelegt. Inzwischen gibt es einen „Arbeitsentwurf“ des Ministeriums von Mitte März. Demnach soll es ab 2022 Versorgungsverträge nur noch mit Pflegeeinrichtungen geben, die nach Tarifverträgen oder tarifähnlich bezahlen.
Um Pflegebedürftige zu entlasten, sollen sie Zuschläge bekommen. Der Eigenanteil für die reine Pflege könnte damit im zweiten Jahr im Heim um 25 Prozent sinken, im dritten Jahr um 50 Prozent und ab dem vierten Jahr um 75 Prozent.
Die selbst zu zahlenden Anteile steigen seit Jahren und liegen nun bei 2.068 Euro pro Monat im bundesweiten Schnitt, wie aus Daten des Verbands der Ersatzkassen mit Stand 1. Januar hervorgeht. Es gibt große regionale Unterschiede.
Darin ist zum einen der Eigenanteil für die reine Pflege und Betreuung enthalten. Denn die Pflegeversicherung trägt – anders als die Krankenversicherung – nur einen Teil der Kosten. Für Heimbewohner kommen aber noch Kosten für Unterkunft, Verpflegung und auch für Investitionen in den Einrichtungen dazu.
Die Diakonie begrüßte den Vorstoß des Arbeitsministers. Er bringe neue Bewegung in die Diskussion über eine faire Bezahlung in den Pflegeberufen, sagte der Chef des evangelischen Sozialverbandes, Ulrich Lilie. Der Deutsche Caritasverband forderte die Bundesregierung auf, sich schnell auf Teilreformen in der Pflege zu einigen.
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