Politik

Grünes Licht für Import von nicht zugelassenen Kinderantibiotika

  • Mittwoch, 3. Mai 2023
/Barbara Helgason, stock.adobe.com
/Barbara Helgason, stock.adobe.com

Berlin – Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hatte in der vergangenen Woche einen Versorgungs­mangel für bestimmte Kinderarzneimittel festgestellt. Bei den Lockerungen geht es etwa um die Einfuhr von Produkten, die in Deutschland nicht zuge­las­sen oder registriert sind. Nun reagieren immer mehr Bundes­länder, heute Rhein­land-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Hessen.

Das für den Arzneimittelverkehr zuständige Landesamt für Jugend und Soziales in Rhein­land-Pfalz gab in einer Allgemein­verfü­gung den Großhandlungen und Apotheken im Land grünes Licht, nicht zugelassenen Antibiotikasäfte aus dem Ausland einzuführen. Landesamtspräsident Detlef Placzek habe die Allgemeinver­fügung unterzeichnet, teilte die Behörde in Mainz mit.

Auch in Sachsen sei eine Allgemeinverfügung auf den Weg gebracht worden, die Apotheken und dem phar­ma­zeutischen Großhandel befristet die Einfuhr und Abgabe von eigentlich nicht zugelassenen Arzneimitteln aus dem Ausland erlaube, teilte das Sozialministerium in Sachsen mit. Die Allgemeinverfügung solle in Sachsen noch diese Woche in Kraft gesetzt werden.

Das Sozialministerium habe sich dazu mit der zuständigen Landesdirektion abgestimmt. Auch mit der Landes­apothekerkammer sei man im Austausch. „Wir begrüßen, dass der Bund nun solche unbürokratischen und pragmatischen Schritte ermöglicht, die wir umgehend umsetzen werden, um bei den Antibiotikaliefereng­pässen Abhilfe zu schaffen“, so das Ministerium.

Es sei beabsichtigt, die Ausnahmegenehmigung sehr weit zu fassen und nicht auf bestimmte Arzneimittel zu beschränken. Apotheken dürften zwar schon jetzt Arzneimittel aus dem Ausland beschaffen, jetzt solle aber auch der Import auf Vorrat gestattet werden. Das Sozialministerium geht davon aus, dass die Medikamente „in wenigen Wochen“ verfügbar sein werden.

Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) habe heute ebenfalls eine entsprechende Allgemeinverfügung in Auftrag gegeben, teilte eine Sprecherin mit. „Die Spielräume, die wir haben, müssen wir nutzen. Schließlich geht es um die Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen.“

Allerdings dämpft das Gesundheitsministerium in Sachsen-Anhalts die Stimmung. Aktuell seien keine anti­biotikahaltigen Säfte für Kinder in der EU oder außerhalb bekannt, die auf den deutschen Markt importiert werden können. Neben dem Import könne den Apotheken auch gestattet werden, mehr Arzneimittel herzu­stellen.

Mecklenburg-Vorpommern werde Apotheken und pharmazeutischen Großhändlern befristet die Einfuhr von antibiotikahaltigen Säften für Kinder gestatten, die in Deutschland eigentlich nicht zugelassen oder regis­triert sind, gab Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) bekannt. Sie mahnte zugleich, den strukturellen Ursachen der Lieferengpässe entgegenzuwirken.

„Zur Therapie potenziell lebensbedrohlicher Erkrankungen oder schwerer bakterieller Infektionen bei Kindern sind Antibiotikasäfte häufig notwendig. Hier bestehen bundesweit Engpässe“, erklärte Hessens Gesundheits­minister Kai Klose (Grüne). „Deshalb erleichtern wir den Apotheken und dem Großhandel in Hessen mit dieser Maßnahme den Bezug und die Abgabe der benötigten Mittel.“

Mehrere Bundesländer, darunter Bremen, Bayern und Nordrhein-Westfalen, hatten in den vergangenen Tagen entsprechende Allge­meinverfügungen erlassen. Die Verwendung von eigentlich nicht in Europa zugelassenen Antibiotika beeinträchtigt nach Angaben von Nordrhein-Westfalens (NRW) Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) nicht die Arzneimittel­­sicherheit.

Die Amtsapotheken vor Ort genehmigten und kontrollierten diese Einfuhren, versicherte Laumann (CDU) in einer Aktuellen Stunde des Düsseldorfer Landtags zum Mangel an Arzneimittel für Kinder. Bei Großimpor­teuren überprüften die Bezirksregierungen, auch anhand von Proben, ob die Medikamente in Ordnung seien und wie sie hergestellt wurden.

Nachdem die Arzneimittellieferketten über Jahrzehnte funktioniert hätten, gebe es jetzt ernstzunehmende Engpässe, räumte der Minister ein. Bei Fiebersäften für Kinder sei dies schon länger festzustellen gewesen, nun auch bei Antibiotika für Kinder und Jugendliche.

Da der Bund den Versorgungsmangel offiziell festgestellt habe, seien die Importe der bislang hier nicht zuge­lassenen Arzneien nun als befristete Ausnahme möglich, sagte Laumann. Er müsse allerdings die Erwartung dämpfen, dass damit alle Probleme gelöst würden.

„Wir haben es bei Antibiotika mit einem weltweiten Mangel zu tun“, sagte der Minister. Das betreffe auch die Grundsubstanzen, aus denen Apotheker Säfte herstellen könnten. Daher seien die Mengen, die über die be­fristete Abweichung vom Arzneimittelgesetz zu besorgen seien, beschränkt. Auch die im geplanten Bundesge­setz zur Arzneimittelversorgung geplanten Mechanismen könnten erst mittelfristig wirken, sagte Laumann.

„Wir müssen mehr auf die Sicherheit unserer Lieferketten achten.“ Wenn die Arzneimittelproduktion aus Ländern wie China und Indien zurück nach Europa geholt werden solle, müsse dafür aber auch mehr Geld in die Hand genommen werden, sagte der CDU-Politiker.

Das werde höhere Krankenkassenbeiträge nach sich ziehen. Zur Wahrheit gehöre zudem, dass entscheidende Standortfaktoren – wie etwa lockerere Auflagen in der Pharmaforschung oder beim Abwasserschutz, die den jetzigen Herstellerländern zugute kämen – in den Jahren, in denen die Arzneimittelversorgung preisgünstig und sicher gewesen sei, ignoriert worden seien.

dpa/may

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung