Hebammen kämpfen um mehr Geld
Berlin – Die freiberuflichen Hebammen sehen wegen hoher Versicherungskosten ihre Existenz in Gefahr. Jetzt hat eine Gruppe von Versicherern eine befristete Regelung angeboten. Die Vorsitzende des Deutschen Hebammenverbands, Martina Klenk, sieht das Angebot kritisch: „Es ist ein Sterben auf Raten.“
Für eine einzelne Versicherung ist das Risiko, die Geburtshelferinnen zu versichern, erheblich. Um die Risiken zu verteilen, hatten sich deshalb drei Versicherer zu einem Konsortium zusammengeschlossen. Doch zum Sommer 2015 steigt die Nürnberger Versicherungsgruppe aus. Um die Lücke zu schließen, hat sich eine Gruppe von Assekuranzen bereiterklärt, eine Versicherung mit einer Steigerung der Prämien um 20 Prozent aufzulegen.
Eine in der Geburtshilfe tätige freiberufliche Hebamme müsste damit eine Versicherungssumme von 6.109 Euro pro Jahr bezahlen. Überdies ist das Angebot auf ein Jahr befristet, danach wäre 2016 Schluss. Als Folge könnten sich die Hebammen nicht mehr versichern, hätten keinen Schutz mehr und könnten somit auch nicht mehr arbeiten.
Der Hebammenverband befürchtet, dass viele freie Geburtshelferinnen angesichts der hohen Kosten schon vorher aufgeben müssen. Zahlten sie 2004 noch 1.352 Euro für die Haftpflichtversicherung, werden es nach Angaben des Verbandes ab Juli dieses Jahres schon 5.091 Euro sein. „Damit wird Geburtshilfe für viele Hebammen unbezahlbar“, sagt Klenk.
Im Durchschnitt verdiene eine Hebamme 1.360 Euro netto im Monat. Nach der Prämienerhöhung im Juli blieben nur noch 936 Euro übrig. Dass die Versicherungskosten immer weiter steigen, liegt auch am medizinischen Fortschritt. Unterlaufen den Geburtshelfern Fehler, ist die Chance, ein Kind zu retten, heutzutage weitaus höher als früher.
Doch je länger die Versicherer für ein behindertes Kind zahlen müssen, desto teurer wird die Versicherungsprämie für Hebammen. Um die Kosten für die Versicherung zu erwirtschaften, muss eine Hebamme nach Berechnungen des Deutschen Hebammenverbands künftig etwa 18 Klinikgeburten betreuen. 2008 waren es noch sieben Geburten. Die Hebammen müssen also zwei- bis dreimal so viel arbeiten - allein für die Haftpflichtversicherung. Von den 21.000 Hebammen in Deutschland sind gut 17.700 nicht fest angestellt. Etwa 5.100 von ihnen betreuen Geburten.
Einige Hebammen fordern, die Krankenkassen sollen die Kosten für die Haftpflicht unabhängig von der Zahl der Geburten übernehmen. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) hat bereits angekündigt, die anstehende Erhöhung wie in den vergangenen Jahren mitzufinanzieren. Dem Deutschen Hebammenverband ist das aber nicht genug. „Uns ist ja nicht geholfen, wenn wir jedes Jahr wieder in die Verhandlungen gehen und der GKV-Spitzenverband gibt dann wieder ein wenig Geld mehr pro Geburt“, erklärt die Sprecherin des Hebammenverbands, Nina Martin.
Geburtsschäden nur bis zu einem bestimmten Betrag haftbar machen
Die Hebammen fordern deshalb, dass der Zuschlag pro Geburt abgeschafft wird. Stattdessen sollen sie bei Geburtsschäden nur bis zu einem bestimmten Betrag haftbar gemacht werden können. So wäre die Höhe der Haftpflichtversicherung kontrollierbar, auch für die Versicherer.
Alles, was über diese Deckelung hinaus gehe, könnte aus einem öffentlich finanzierten Haftungsfonds beglichen werden, erklärt Martin. Man wolle nicht aus der Verantwortung entlassen werden, betont überdies die Vorsitzende des Verbands, Martina Klenk. Aber die Gesellschaft müsse sich auch fragen, was ihr der soziale Dienst wert ist.
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