Hochschulen

Hebammenreform: Charité schafft neuen Studiengang

  • Montag, 3. Februar 2020
/Kzenon, stock.adobe.com
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Berlin – Wegen einer bundesweiten Reform bei der Hebammenausbildung stehen auch in der Hauptstadt Veränderungen an. Die letzten Ausbildungsjahrgänge von Charité und Vi­vantes starten nach Angaben der Institutionen dieses Jahr.

Gleichzeitig bereitet die Charité einen Hebammenstudiengang vor. Ange­strebt werde, dass 60 Studierende zum Wintersemester 2021/22 anfangen können, wie die Universi­täts­medizin auf Anfrage mitteilte.

Die praktischen Ausbildungsteile des dualen Studiengangs würden Charité und Vivantes gemeinsam übernehmen, heißt es. Insgesamt plant der Senat eigenen Angaben zufolge mit 120 Studienanfängern ab 2021.

Bislang machten die meisten angehenden Hebammen in Berlin eine klassische Ausbil­dung, für die ein Mittlerer Schulabschluss ausreicht. Zuletzt entschieden sich allerdings auch immer mehr dafür, an der Evangelischen Hochschule Berlin (EHB) ein Studium zu absolvieren.

Bereits seit 2013 gibt es dort den Bachelor of Science of Midwifery. In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der Studienanfänger von 20 auf derzeit 49, wie es von Senat und EHB heißt. Die Hochschule kooperiert im dualen Studiengang mit dem St. Joseph-Kran­ken­­haus in Berlin-Tempelhof.

Politik erwartet mehr Absolventen

Die Studiengänge der EHB und der Charité sollen künftig auffangen, was an Ausbildungs­plätzen wegfällt, wie aus Plänen der Senatskanzlei hervorgeht. Unterm Strich sollen da­bei mehr Hebammen ausgebildet werden als bisher. Angesichts von 48 abgeschloss­enen Ausbildungen im Jahr 2018 zeichne sich ein signifikanter Anstieg ab, teilt die Ge­sund­­heitsverwaltung mit.

Ein von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) initiiertes Gesetz sieht vor, dass werdende Hebammen in Zukunft ein sechs bis acht Semester langes duales Studium mit hohem Praxisanteil absolvieren müssen. Deutschland ist nach Angaben der Bundesre­gie­rung das letzte Land der EU, das eine entsprechende EU-Richtlinie umsetzt. Die Re­form soll den Beruf attraktiver machen und die Qualität der Ausbildung erhöhen.

Melita Grieshop, Professorin für Hebammenwissenschaften und Leiterin des Studiengangs Hebammenkunde an der EHB, erklärt, dass Mütter und Kinder profitierten, wenn sie von einer studierten Hebamme betreut werden. Ein Studienabschluss ermögliche, aktuelle Forschungserkenntnisse in die Betreuung einfließen zu lassen.

Der Hebammenmangel jedoch werde nicht durch ein Hochschulstudium beseitigt, sagte Grieshop. Der habe andere Ursachen – wie etwa die Bezahlung. Diese werde der sehr hohen Verantwortung, die Hebammen tragen, nicht gerecht.

Hebammen werden in Berlin dringend gebraucht. Nach aktuellen Angaben des Senats arbeiteten 2017 rund 1.500 Hebammen in der Hauptstadt. Die Zahl war in den Jahren zuvor zwar kontinuierlich gestiegen. Gleichzeitig wurden aber auch mehr Kinder geboren: 2016 übertraf die Geburtenzahl in einem vorübergehenden Höhepunkt laut Statistikamt die 40.000-Marke. Es häuften sich Berichte über Schwangere, die nur schwierig eine Hebamme fanden oder bei einsetzen­den Wehen auf volle Kreißsäle stießen.

Ann-Jule Wowretzko, Vorsitzende des Berliner Hebammenverbands, begrüßte die Ausbil­dungsreform. Das eigentliche Problem sei aber die hohe Arbeitsbelastung in den Kreiß­sälen. Viele Hebammen kämen nach der Ausbildung im Beruf an und merkten, dass sie so nicht arbeiten könnten. Es gebe zu wenig Personal in den Krankenhäusern, das Gehalt sei niedrig und der Anteil der Verwaltungstätigkeiten zu hoch, kritisierte sie.

Laut einem jüngst veröffentlichten Gutachten des Iges-Instituts, das vom Bundesgesund­heits­ministerium in Auftrag gegeben wurde, hat Berlin im deutschlandweiten Vergleich einen schlechten Betreuungsschlüssel: 2017 kamen demnach auf 1.000 Lebendgeborene rechnerisch 12,4 Hebammen in Krankenhäusern. Die Quote war nur in Bayern niedriger.

Die Mehrheit der für die Studie in ganz Deutschland befragten Hebammen gab außerdem an, in einer regulären Schicht drei oder sogar vier werdende Mütter gleichzeitig betreuen zu müssen. Die meisten waren dabei mit ihrem Gehalt unzufrieden. Die Folge: Rund ein Viertel der Hebammen dachte daran, ihren Beruf aufzugeben.

Vor zwei Jahren wollte die Berliner Gesundheitsverwaltung diese Probleme in einem Run­den Tisch mit Kliniken, Hebammen, Ärzten, Krankenkassen und Eltern angehen. Be­schlos­sen wurde ein ambitionierter Aktionsplan, der eine Erhöhung der Ausbildungs­plätze so­wie mehr Geld für neue Kreißsäle und eine bessere Anerkennung ausländischer Hebam­men vorsah.

Viele der Maßnahmen seien zwar umgesetzt worden, sagte Wowretzko vom Hebammen­verband nun. „Die Arbeitsbedingungen für Hebammen zu verbessern, hat jedoch nicht funktioniert.“ Sie fordert daher, die Initiative wieder aufzunehmen: Seit 2018 habe sich der Runde Tisch nicht wieder getroffen.

dpa

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