Herzgesetz: Früher Einsatz von Statinen befürwortet

Berlin – Mehrere Experten befürworten, Statine bereits ab einem geringeren kardiovaskulären Risiko zu verschreiben. Kritik am Einsatz von Statinen insbesondere bei Kindern gibt es jedoch ebenfalls. Ein Entwurf zum neuen „Gesundes-Herz-Gesetz“ sieht unter anderem vor, dass Statine „frühzeitiger“ verordnet werden können.
Daneben soll es laut neuem Gesetz ein Screening auf eine familiäre Hypercholesterinämie (FH) bei Kindern und Jugendlichen geben. Aktuell wird eine Statintherapie bei hohem kardiovaskulärem Risiko von über 20 Prozent von der Krankenkasse bezahlt oder bei bestehenden Vorerkrankungen.
Das sei bereits ein recht hohes Risiko, sagte Oliver Weingärtner von der Kardiologie des Universitätsklinikums Jena, der für das neue Gesetz beratend tätig war. „Mit den bisherigen Gesetzgebungen haben wir viele Patienten von dieser effektiven und gut verträglichen Therapie ausgeschlossen. Deswegen ist die Absenkung des Risikos, bei dem Statine verschrieben werden können, sinnvoll“, so der Kardiologe.
Laut den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) kann eine Statintherapie bereits ab einem Zehn-Jahres-Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis von zehn Prozent erwogen werden. Je nach LDL-Cholesterinwert ist die medikamentöse Behandlung auch schon früher empfohlen.
Aktuell ist laut Gemeinsamem Bundesauschuss (G-BA) genau definiert, wie das kardiovaskuläre Risiko festgestellt werden soll. Etabliert und auch im neuen Gesetz vorgeschlagen ist der SCORE2 (Systematic Coronary Risk Estimation)-Risiko-Rechner vor. Dieser berechnet das Zehn-Jahres-Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis oder Tod nach Alter, Geschlecht, Cholesterinwert, Blutdruck und Raucherananmnese. Allerdings bilde der Rechner das Risiko für jüngere Menschen nicht richtig ab, sodass bei den genetisch bedingten Erkrankungen eine Berechnung des Lebensrisikos sinnvoller sei, erklärte Weingärtner. „Dies wird in den Niederlanden oder im Vereinigten Königreich schon angewandt.“
Das britische National Institute for Health and Care Excellence (NICE) hatte bereits im vergangenen Jahr beschlossen, den Einsatz von Statinen zur Prävention kardiovaskulärer Ereignisse auch bei niedrigerem kardiovaskulärem Risiko zu empfehlen. Das Deutsche Ärzteblatt hatte berichtet.
Statintherapie bei Kindern
Weingärtner hält es für richtig, bereits Kinder mit genetischen Hyperlipidämien frühzeitig zu behandeln. „Ab einem Alter von fünf Jahren können Statine verordnet werden.“ Im Vergleich zu Medikamenten haben diätetische Maßnahmen Weingärtner zufolge nur einen geringen Effekt, da das Cholesterin vom Körper selbst produziert werde. Dem stimmt auch Wolfgang Koenig vom Deutschen Herzzentrum München zu.
Laut der S2k-Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Stoffwechselstörungen (APS) zu Hyperlipidämien bei Kindern kann ab einem LDL-Cholesterin von mehr als 190mg/dl ebenfalls eine medikamentöse lipidsenkende Therapie ab einem Alter von acht Jahren erwogen werden.
„Es gibt allerdings noch keine Sicherheitsdaten über einen so langen Zeitraum wie für Erwachsene“, gibt Koenig zu bedenken. Er geht jedoch davon aus, dass sie sicher sind, und sie sind auch zugelassen zur Verschreibung bei Patienten mit einer familiären Hypercholesterinämie (FH). „Vor allem Kinder sprechen auf niedrige Dosen von Statinen in der Mehrzahl der Fälle sehr gut an.“ Wieviele Kinder von einer familiären Hyercholesterinämie betroffen sind, ist nicht eindeutig geklärt: „Bislang gab es keine Daten, wie häufig eine FH bei Kindern in Deutschland ist, wir schätzen die Häufigkeit auf etwa eins zu 200“, sagte Koenig.
Die Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes (HÄV), Nicola Buhlinger-Göpfarth und Markus Beier, sehen das Gesetzesvorhaben allerdings kritischer und hatten gestern bereits die geplante Präventions- und Behandlungsstrategie im neuen Gesetz als „Gießkannenprinzip“ kritisiert. Die medizinische Sicherheit sei zweifelhaft und es fehle an Evidenz.
Anders sieht das der Kardiologe Ulrich Laufs des Universitätsklinikums Leipzig. „Wir haben ausreichend Evidenz für die Sicherheit und Wirksamkeit einer Statintherapie bei Kindern. Statine sind für Kinder mit hohen Cholesterinspiegeln wirksam und sicher.“
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: