Medizin

Hirnmetastasen: Stereotaktische Strahlentherapie drängt Krebs länger zurück als Standardtherapie

  • Donnerstag, 20. Juli 2017
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Bei der stereotaktischen Bestrahlung wird der Tumor anhand eines dreidimensionalen Bestrahlungsplans aus mehreren Richtungen bestrahlt. Die Strahlendosis konzentriert sich an dem Punkt, an dem die Strahlen aufeinandertreffen. /bittedankeschön, stock.adobe.com

Berlin – Eine stereotaktische Bestrahlung kann verhindern, dass es nach der Entfer­nung von Hirnmetastasen frühzeitig zum erneuten Krebswachstum kommt. Die Behandlung vermeidet weitgehend Komplikationen wie beispielsweise kognitive Einschränkungen, die mit einer kompletten Hirnbestrahlung einhergehen können. Das Gesamtüberleben konnte die punktgenaue Bestrahlung jedoch nicht verbessern. Zu diesem Ergebnis kommen zwei Studien, die in Lancet Oncology publiziert wurden (2017; doi: 10.1016/S1470-2045(17)30414-X und doi: 10.1016/S1470-2045(17)30441-2).

Strahlenmediziner vom MD Anderson Cancer Center in Houston verglichen in einer Phase-III-Studie mit 132 Patienten die postoperative stereotaktische Bestrahlung mit einer Operation allein hinsichtlich der lokalen Tumorkontrolle. Die Studienteilnehmer hatten eine bis drei Hirnmetastasen (mit einer Größe von ≤ 4 cm) und wurden nach der operativen Entfernung der Tochtergeschwulste per Los einer Behandlung mit lokaler Strahlentherapie oder einer Kontrollgruppe zugeteilt.  

Im ersten Jahr nach der Behandlung mit der fokalen Bestrahlung blieben 72 Prozent der Patienten ohne neue Hirnmetastasen. In der Kontrollgruppe wurde dieses Ziel nur bei 43 Prozent der Patienten erreicht. Am besten waren die Ergebnisse bei Patienten mit kleinen Hirnmetastasen. In dieser Gruppe waren 91 Prozent nach einem Jahr noch ohne Rückfall. Die Gesamtüberlebenszeit war bei beiden Gruppen vergleichbar.

Kognitive Einschränkungen reduziert

Eine größere, ebenfalls randomisierte und kontrollierte Multicenterstudie, an der 48 Institutionen und insgesamt 194 Patienten aus den USA und Kanada teilnahmen, untersuchte den Effekt der stereotaktischen Radiochirurgie auf kognitive Einschränkun­gen und das Gesamtüberleben im Vergleich mit der bislang als Standard verwendeten Ganzhirnbestrahlung. Nach sechs Monaten zeigte sich in der Gruppe der stereotaktisch bestrahlten Patienten, dass sie verglichen mit der Ganzhirnbestrahlungsgruppe weni­ger häufig unter kognitiven Einschränkungen litten: 52 Prozent versus 85 Prozent. Auch hier konnten die Autoren keine Unterschiede im Bezug auf das Gesamtüberleben beobachten.

„Beide Studien belegen, dass die Patienten bei der stereotaktischen Bestrahlung nach der Operation deutlich weniger kognitive Einschränkungen haben“, ergänzt Wilfried Budach, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO). „Die Lebensqualität bleibt damit erhalten und viele Patienten können wieder am Alltags­leben teilnehmen.“ Die Tatsache, dass der Tumor noch einmal zurückgedrängt wurde, sei für viele Patienten von großer Bedeutung, so Budach, der die Klinik für Strahlen­therapie und Radioonkologie am Universitätsklinikum Düsseldorf leitet. Die gezielte stereotaktische Bestrahlung könne daher als Alternative zur derzeit üblichen Ganzhirn­bestrahlung angeboten werden, betonen die DEGRO-Experten. Denn diese hat Neben­wirkungen, zu denen neben Haarverlust und Abgeschlagenheit auch Gedächtnis­störungen und andere kognitive Einschränkungen gehören.

Technisch aufwendiges Verfahren

Der einzige Nachteil: Die schonende stereotaktische Radiotherapie ist technisch sehr aufwendig und der Arzt benötigt ein Spezialgerät, das eine punktgenaue Bestrahlung ermöglicht. Nachdem ein dreidimensionaler computergestützter Bestrahlungsplan ausgearbeitet wurde, kann der Tumor aus mehreren Richtungen bestrahlt werden.

Diese Technik kann genutzt werden, um die Operationshöhle nach einer Entfernung der Hirnmetastase zu bestrahlen. „Diese Behandlung ist dann ganz fokussiert auf die ehemalige Metastasenregion. Wir sprechen von einer fokalen Bestrahlung, die in nur wenigen Behandlungstagen durchgeführt wird, in vielen Fällen sogar ohne einen Krankenhausaufenthalt“, erläutert Stephanie E. Combs, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Radioonkologie und Strahlentherapie am Universitätsklinikum der Technischen Universität München, die Vorteile.

Vor allem Lungenkrebs, Brustkrebs und der bösartige Hautkrebs bilden häufig Metas­tasen, die sich im Gehirn ansiedeln. Einzelne dieser Tochtergeschwulste können heute chirurgisch entfernt werden. „Mit der Operation allein wird jedoch selten eine dauer­hafte lokale Tumorkontrolle erzielt“, erklärt Combs. Zum Therapiestandard gehöre deshalb eine anschließende Radiotherapie.

gie/EB

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