Aids: „Präventionspaket“ senkt Sterberate im fortgeschrittenen Stadium
London – Bei HIV-Infizierten, die erst im fortgeschrittenen Stadium der Immunschwäche mit der antiretrovialen Therapie beginnen, kann eine begleitende konsequente Prophylaxe der opportunistischen Infektionen die Überlebenschancen verbessern. In Afrika hat sich ein „Präventionspaket“ mit vier Antiinfektiva bewährt, wie die Ergebnisse einer randomisierten Studie im New England Journal of Medicine (2017; doi: 10.1056/NEJMoa1615822) zeigen.
Die internationalen Fachgesellschaften raten heute, die antiretrovirale Therapie zu beginnen, bevor es zu einem Abfall des CD4-Werts gekommen ist. Die Realität sieht in vielen Ländern jedoch anders aus. Nach einer kürzlich auf dem 21. International Workshop on HIV and Hepatitis vorgestellten Umfrage leidet ein Drittel aller Patienten zu Beginn der Therapie bereits unter opportunistischen Infektionen, die jedoch häufig nicht diagnostiziert werden.
In Afrika südlich der Sahara ist es bereits üblich, die Patienten zu Beginn der antiretroviralen Therapie mit dem Antibiotikum Cotrimoxazol zu behandeln. Auch dies hat jedoch nicht verhindert, dass etwa 10 Prozent der Patienten kurz nach Beginn der Behandlung sterben. Die REALITY-Studie hat deshalb untersucht, ob die Erweiterung der antiinfektiösen Prophylaxe um ein „Präventionspaket“ die Überlebenschancen verbessern kann. Enthalten sind das Antimykotikum Fluconazol, das Antibiotikum Azithromycin, das Anthelminthikum Albendazol und die beiden Tuberkulostatika Isoniazid und Pyridoxin. Fluconazol, Isoniazid und Pyridoxin wurden über 12 Wochen verabreicht, Azithromycin über fünf Tage und Albendazol als Einzeldosis.
An der vom britischen Medical Research Council in Kenia, Malawi, Uganda und Simbabwe durchgeführten randomisierten Studie nahmen 1.805 Patienten mit fortgeschrittener Immunschwäche (CD4-Wert unter 100 Zellen/mm3) teil, bei denen eine antiretrovirale Therapie begonnen werden sollte. Alle Patienten wurden mit Cotrimoxazol behandelt. Eine Hälfte der Teilnehmer erhielt zusätzlich das „Präventionspaket“. Primärer Endpunkt war die Sterblichkeit in den ersten 24 Wochen nach Beginn der Therapie.
Während dieser Zeit waren 80 von 906 Patienten (8,9 Prozent) gestorben, die das „Präventionspaket“ erhalten hatten. In der Vergleichsgruppe, die begleitend zur antiretroviralen Therapie nur Cotrimoxazol erhalten hatte, war es zu 108 Todesfällen auf 899 Teilnehmer (12,2 Prozent) gekommen. Das Team um Sarah Walker vom University College London ermittelt eine Hazard Ratio von 0,73, die mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,55 bis 0,98 statistisch signifikant war. Nach 48 Wochen waren 98 Patienten (11,0 Prozent) und 127 Patienten (14,4 Prozent) gestorben. Die Hazard Ratio beträgt 0,76 (0,58 bis 0,99).
Das „Präventionspaket“ hatte die Zahl der Erkrankungen an Tuberkulose, Kryptokokkeninfektionen, oraler oder Ösophagus-Candidose gesenkt. Es gab weniger Todesfälle aus unbekannter Ursache und weniger Krankenhausaufenthalte. Schwere Komplikationen traten nicht häufiger auf als in der Gruppe, die nur mit Cotrimoxazol behandelt worden war.
Das „Präventionspaket“ hat sich deshalb in der Situation in Afrika bewährt. Es ist zudem preisgünstig und nach den Berechnungen von Walker auch kosteneffektiv. Die Patienten litten zu Beginn der Therapie unter einer schweren Immunschwäche. Der CD4-Wert war bereits auf 36 Zellen/mm3 abgefallen. Erstaunlich ist, dass fast die Hälfte der Patienten asymptomatisch war oder nur leichte gesundheitliche Störungen aufwies.
Ein derart später Behandlungsbeginn dürfte in Deutschland ungewöhnlich sein. Die Studie zeigt jedoch, dass vielen Patienten die fortgeschrittene Immunschwäche nicht anzusehen ist. Nathan Ford und Meg Doherty von der Weltgesundheitsorganisation in Genf empfehlen deshalb im Editorial, bei allen Patienten vor Beginn der Therapie den CD4-Wert zu bestimmen, obwohl dies im Prinzip nicht mehr notwendig ist (da eine Behandlungsindikation bereits bei einem positiven Antikörpernachweis besteht).
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