HIV-Neuinfektionen stagnieren laut Modellrechnung
Berlin – Im vergangenen Jahr haben sich geschätzt rund 1.800 Menschen in Deutschland mit dem HI-Virus neu infiziert – ebensoviele wie im Jahr zuvor. Etwa ein Drittel von ihnen wurde erst mit einem fortgeschrittenen Immundefekt diagnostiziert, fast jede fünfte Infektion erst mit dem Vollbild Aids.
Insgesamt wären damit in Deutschland Ende 2021 90.800 Menschen HIV-infiziert. Das geht aus einer neuen Modellrechnung des Robert-Koch-Instituts (RKI) hervor, die jetzt im Epidemiologischen Bulletin erschienen ist (Ausgabe 47/2022).
Die Zahl der Neuinfektionen läge damit so niedrig wie zuletzt vor zwei Jahrzehnten. Allerdings sind die neuen Zahlen laut dem Institut mit Vorbehalt zu betrachten: „HIV-Diagnosen werden oft erst Jahre nach der Infektion gestellt. Die Routine-Surveillance auf Grundlage der Labormeldungen liefert deshalb nur begrenzte Informationen zur aktuellen Ausbreitung von HIV in Deutschland“, teilte das RKI mit.
Hinzu komme, dass im Jahr 2021 coronabedingt möglicherweise weniger Tests in Anspruch genommen worden seien als sonst. Das Institut weist daraufhin, dass die geschätzte Zahl der Neuinfektionen nicht mit den gemeldeten Neudiagnosen zu verwechseln sei.
„Unabhängig davon: diese Fallzahlen sind immer noch zu hoch, es bedarf weiterer Anstrengungen, vor allem um die zielgruppenspezifischen Testangebote und den Zugang zu Therapie und Prophylaxe zu verbessern“, sagte der RKI-Präsident Lothar Wieler.
Die Trends in den drei am stärksten betroffenen Gruppen verlaufen laut der Analyse unterschiedlich. Bei Männern, die Sex mit Männern haben, ist die Zahl der geschätzten Neuinfektionen, von 1.100 im Jahr 2020 auf etwa 1.000 im Jahr 2021 gesunken.
Bei Personen mit einer Infektion auf heterosexuellem Weg stagniert die Zahl der Neuinfektionen dagegen seit einigen Jahren und lag Ende 2021 bei etwa 440. Beim Gebrauch intravenöser Drogen haben sich 2021 etwa 320 Menschen mit HIV infiziert, bei dieser Gruppe zeigt die Modellierung einen Anstieg seit 2010 und eine Stabilisierung seit 2019.
Der Anteil der Menschen mit diagnostizierter HIV-Infektion, die eine antiretrovirale Therapie erhalten, liegt 2021 unverändert bei etwa 96 Prozent. „Bei fast allen Behandelten ist die Behandlung erfolgreich, so dass sie nicht mehr infektiös sind“, hieß es aus dem RKI.
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