HIV-Resistenzen bei Therapiebeginn nehmen in ärmeren Ländern zu

London – Immer mehr Menschen in Subsahara-Afrika, aber auch in Asien und Lateinamerika sind bereits zu Therapiebeginn mit HI-Viren infiziert, die gegen einen Wirkstoff der empfohlenen Ersttherapie resistent sind. Dies zeigt eine Studie in Lancet Infectious Diseases (2017; doi: 10.1016/S1473-3099(17)30702-8), die eine Änderung der Behandlungsstrategien erforderlich machen könnte.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, die HIV-Therapie mit einem nicht-nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) in Kombination mit zwei nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) zu beginnen. Die Therapie führt in der Regel zu einer effektiven Suppression der Virusreplikation – solange keine Resistenzen vorliegen.
Normalerweise entstehen Resistenzen erst im Verlauf der Therapie. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass die Patienten bei vorbehandelten Patienten mit resistenten Viren anstecken. Eine weitere offenbar gar nicht so seltene Möglichkeit ist, dass die Patienten vor Therapiebeginn bereits mit den Wirkstoffen behandelt wurden. Dies kann bei der Prävention einer Mutter-Kind-Übertragung der Fall sein, oder aber die Patienten haben eine frühere Therapie abgebrochen.
Ein Team um Ravindra Gupta vom University College London hat die Entwicklung der Primärresistenzen jetzt in einer Meta-Regressions-Analyse ausgewertet, die Daten zu 56.044 Erwachsenen aus 63 Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen berücksichtigt, die in den Jahren 1996 bis 2016 mit der Erstlinientherapie begonnen hatten.
Die Ergebnisse sind ernüchternd. Während in den höher entwickelten Ländern Resistenzen bei Therapiebeginn immer seltener werden, haben sie vor allem in Afrika südliche der Sahara zugenommen. Dies gilt vor allem für NNRTI-Resistenzen. Gupta ermittelt für Ostafrika eine jährliche Zunahme um 29 Prozent. Im südlichen Afrika steigt die Häufigkeit jährlich um 23 Prozent. Dort ist es allein zwischen 2015 und 2016 zu einem absoluten Anstieg um 1,8 Prozentpunkte gekommen. Auch in Lateinamerika und der Karibik hat die Zahl der Resistenzen bei der Ersttherapie zugenommen. Deutlich niedriger war der Anstieg mit 11 Prozent pro Jahr in Asien.
Im südlichen Afrika sind derzeit 11,1 Prozent der Patienten bei Therapiebeginn mit NNRTI-resistenten HI-Viren infiziert. In Ostafrika beträgt der Anteil 10,1 Prozent, in West- und Zentralafrika 7,2 Prozent, in Lateinamerika 9,4 Prozent.
Viele Länder haben damit die 10-Prozent-Grenze überschritten, ab der die WHO einen Wechsel der Ersttherapie empfiehlt. Dies würde allerdings den Verzicht auf kostengünstige Wirkstoffe bedeuten. Alternativ müssten in den Ländern vor Beginn der Behandlung Resistenztests durchgeführt werden, was ebenfalls die Kosten erhöht und wofür in vielen Regionen derzeit die Voraussetzungen fehlen.
Sollte nichts geschehen, dann könnte es infolge eines zunehmenden Therapieversagens in den Jahren bis 2030 allein in Subsahara-Afrika zu 890.000 weiteren AIDS-Todesfällen und 450.000 weiteren Infektionen kommen, warnt Gupta.
Der WHO ist das Problem bewusst. Es war Gegenstand eines im Sommer veröffentlichten „HIV Resistance“-Reports. Nach Auskunft der WHO leben weltweit derzeit 36,7 Millionen Menschen mit HIV. Von diesen haben 2016 etwa 19,5 Millionen Menschen eine antiretrovirale Therapie erhalten. Der Mehrheit dieser Menschen gehe es gut, und die empfohlene Behandlung erweise sich als sehr wirksam, heißt es seitens der WHO. Es gebe aber eine wachsende Zahl von Patienten, die unter den Folgen von Medikamentenresistenzen zu leiden haben, hieß es in dem Report.
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