Medizin

Hodentumore: Neuer Wirkstoff tötet entartete Zellen ab

  • Montag, 2. Januar 2017
Uploaded: 02.01.2017 13:20:11 by gießelmann
Damit DNA in den Zellkern passt, ist sie um Proteine gewickelt – die Histone. Sie bieten einen Angriffspunkt, um die Genexpression zu beeinflussen. /Fotolia, vege

Bonn – Ein neuer Wirkstoff könnte gegen schwere Formen von Hodenkrebs helfen, die auf andere Therapien nur ungenügend ansprechen. In Mäusen tötet die Substanz entartete Zellen ab und lässt Hodentumoren schrumpfen. Das konnten Forscher der Universität Bonn in einer Studie zeigen, die im Journal of Cellular and Molecular Medicine erschienen ist (2016, doi: 10.1111/jcmm.13059).

In einigen Fällen spricht das Karzinom kaum oder gar nicht auf die Behandlung an. Genau diesen Patienten könnte eine Substanz namens JQ1 Hoffnung geben. Der Wirkstoff unterbindet die Reifung der Spermien. Daher war er ursprünglich auch als Verhütungsmittel angedacht, eine Art „Pille für den Mann“.

JQ1 inhibiert jene Proteine, die Histon-Markierungen auf der DNA ablesen. Histone übernehmen zum einen eine ordnende Funktion für die DNA. Sie versehen diese aber auch mit Methyl- oder Acetylgruppen, die der Synthesemaschinerie der Zelle signali­sieren, ob ein Gen abgelesen und exprimiert werden soll. „So verändert der Wirkstoff die Genaktivität in der Zelle“, erklärt Hubert Schorle vom Institut für Pathologie der Universi­tät Bonn. Er bestimmt, welche Gene abgelesen werden und welche nicht.

Die Krebszellen reagieren auf diese Änderungen empfindlich: Sie aktivieren ein Selbst­mord-Programm, die Apoptose. „In einem Hodenkrebs-Mausmodell begannen die Tumoren nach JQ1-Gabe daher zu schrumpfen“, erklärt die Erstautorin Sina Jostes. „Gesunde Hautzellen scheinen dagegen JQ1 sehr gut zu tolerieren.“

In Kombination besonders wirksam
Andere Wirkstoffe verändern direkt die Markierung der Histone. Einer davon ist Romidep­sin. Die Bonner Arbeitsgruppe konnte kürzlich nachweisen, dass Romidepsin ebenfalls Hodenkrebszellen effektiv bekämpft. Anders als JQ1 ist die Substanz bereits zur Behandlung von Patienten mit bestimmten Krebserkrankungen zugelassen.

„Wir haben in unserer Studie Mäuse sowohl mit JQ1 als auch mit Romidepsin behan­delt“, erläutert Daniel Nettersheim, der die Studien mitplante. „Dadurch konnten wir mit relativ geringen Mengen beider Substanzen eine ähnliche Wirkung erreichen, wie mit JQ1 oder Romidepsin alleine. Eine solche Kombinationstherapie zur Behandlung von Hodentumoren wäre womöglich deutlich besser verträglich. Auch chemotherapie­resistente Patienten könnten davon profitieren“, stellt Nettersheim in Aussicht. Ob sich diese Hoffnung bewahrheitet, muss sich allerdings noch in klinischen Studien zeigen.

An den Studien waren neben Wissenschaftlern der Universität Bonn Forscher der Universität St. Gallen und der Harvard Medical School beteiligt.

EB/gie

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