Politik

Honorare einfrieren: Kassenvorschlag zum Orientierungswert hat Nachspiel

  • Freitag, 30. September 2022
/picture alliance, Florian Schuh
/picture alliance, Florian Schuh

Berlin – Die Krankenkassen hatten gestern mit einem Vorschlag, den Orientierungswert einzufrieren, einen Eklat ausgelöst. Die Forderungen des GKV-Spitzenver­bandes haben jetzt ein Nachspiel – und Bundesgesundheits­mi­nis­ter Karl Lauterbach (SPD) stellte sich heute auf die Seite der Vertragsärzte und -psychotherapeuten.

„Ich kann mich der Forderung nicht anschließen“, sagte Lauterbach heute auf Nachfrage des Deutschen Ärzte­blattes in der Bun­despressekonferenz. Er sehe für das Anliegen der Krankenkassen keine gute Begrün­dung. Auch die Praxen hätten mit der Inflation und steigen­den Energiekosten zu kämpfen. „Ein solches Opfer der niederge­las­senen Kolleginnen und Kollegen kann ich nicht nachvollziehen.“ Via Twitter hatte er erklärt: Eine Nullrunde werde nicht kommen.

Der GKV-Spitzenverband hatte zuvor in einer Stellungnahme zum Entwurf des GKV-Finanz­sta­bi­lisierungs­geset­zes die Forderung an den Gesetzgeber gestellt, für das Jahr 2024 zu regeln, dass „kein Beschluss zur An­passung des Orientierungswertes durch den Bewertungsausschuss zu treffen ist“.

Der für 2023 gültige Orientierungswert von 11,4915 Cent sollte damit auch für das Jahr 2024 gelten. Ebenso sollten die Zuschläge nach Vorstellung der Krankenkassen für die regionalen Punkt­werte der Jahre 2023 und 2024 auf dem Stand des Jahres 2022 festgeschrieben werden.

Das ganze solle als „strukturelle Maßnahme zur Ausgabensicherung“ für den vertragsärztlichen Bereich gel­ten, erklärte der GKV-Spitzenverband. Einen Inflationsausgleich und eine Kostensteigerung aufgrund der gestiegene Energiepreise würden damit in den kommenden Jahren nicht berücksichtigt werden.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bezeichnete das gestern als „Affront der Kas­sen­seite“. Man werde gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereini­gungen deutliche Konsequenzen ziehen und sich dazu schnellst­möglich ab­stimmen.

Erste Konsequenzen

Die erste Konsequenz zog die KBV dann bereits heute. In zwei Briefen an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und den GKV-Spitzenverband teilte die KBV mit, sich bis zum 12. Oktober aus allen gemeinsamen Gre­mien der Selbstverwaltung zurückzuziehen.

Man bitte um Verständnis, dass man bis dahin für Beratungen im Gemeinsamen Bundesausschuss, der Partner der Bundesmantelverträge einschließlich des Bewertungsausschusses und des ergänzten Bewer­tungs­ausschus­ses nicht zur Verfügung stehen werde, schreiben KBV-Chef Andreas Gassen, KBV-Vize Stephan Hofmeister und KBV-Vorstand Thomas Kriedel.

Das Verhalten des GKV-Spitzenverbandes dokumentiert nach Ansicht der KBV auch, dass ihm die Versorgung der Menschen in Deutschland „vollkommen egal“ sei. Dieses Verhalten könne man „nicht mehr tolerieren“. Am 12. Oktober wollen KBV und Kassenärztlichen Vereini­gungen über mögliche weitere Konsequenzen in einer Son­der­­sitzung beraten, hieß es aus Teilnehmerkreisen.

G-BA-Chef Josef Hecken teilte heute mit, er gehe „derzeit von einer dennoch bestehenden Beschlussfähigkeit“ der Gremien aus. Daher finde die Sitzung des Plenums am 6. Oktober 2022 plangemäß statt. Das gelte auch für die geplanten Sitzungen der Unterausschüsse. Inwieweit Beschluss- und Beratungsgegenstände bis zur Rück­kehr der KBV vertagt werden könnten, werde „derzeit geprüft“.

„Ich bin der festen Überzeugung, dass sich alle im G-BA zusammengeschlossenen Trägerorganisationen des ho­hen Wertes einer funktionierenden und auf vertrauensvoller Zusammenarbeit und fairem Interessenausgleich beruhenden Selbstverwaltung bewusst sind“, erklärte Hecken.

Das hätten die Partner der Selbstverwaltung im G-BA in der Vergangenheit oft unter Beweis gestellt. „Dieser Geist wird unsere gemeinsame Arbeit hoffentlich auch in Zukunft prägen. Ich bin in engem Austausch mit dem Vorstand der KBV, der sich selbstverständlich auch des Umstandes bewusst ist, dass wir im G-BA einen gesetz­lichen Auftrag erfüllen“, sagte er.

may/cmk

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung