Honorare einfrieren: Kassenvorschlag zum Orientierungswert hat Nachspiel

Berlin – Die Krankenkassen hatten gestern mit einem Vorschlag, den Orientierungswert einzufrieren, einen Eklat ausgelöst. Die Forderungen des GKV-Spitzenverbandes haben jetzt ein Nachspiel – und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) stellte sich heute auf die Seite der Vertragsärzte und -psychotherapeuten.
„Ich kann mich der Forderung nicht anschließen“, sagte Lauterbach heute auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes in der Bundespressekonferenz. Er sehe für das Anliegen der Krankenkassen keine gute Begründung. Auch die Praxen hätten mit der Inflation und steigenden Energiekosten zu kämpfen. „Ein solches Opfer der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen kann ich nicht nachvollziehen.“ Via Twitter hatte er erklärt: Eine Nullrunde werde nicht kommen.
Der GKV-Spitzenverband hatte zuvor in einer Stellungnahme zum Entwurf des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes die Forderung an den Gesetzgeber gestellt, für das Jahr 2024 zu regeln, dass „kein Beschluss zur Anpassung des Orientierungswertes durch den Bewertungsausschuss zu treffen ist“.
Der für 2023 gültige Orientierungswert von 11,4915 Cent sollte damit auch für das Jahr 2024 gelten. Ebenso sollten die Zuschläge nach Vorstellung der Krankenkassen für die regionalen Punktwerte der Jahre 2023 und 2024 auf dem Stand des Jahres 2022 festgeschrieben werden.
Das ganze solle als „strukturelle Maßnahme zur Ausgabensicherung“ für den vertragsärztlichen Bereich gelten, erklärte der GKV-Spitzenverband. Einen Inflationsausgleich und eine Kostensteigerung aufgrund der gestiegene Energiepreise würden damit in den kommenden Jahren nicht berücksichtigt werden.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bezeichnete das gestern als „Affront der Kassenseite“. Man werde gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen deutliche Konsequenzen ziehen und sich dazu schnellstmöglich abstimmen.
Erste Konsequenzen
Die erste Konsequenz zog die KBV dann bereits heute. In zwei Briefen an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und den GKV-Spitzenverband teilte die KBV mit, sich bis zum 12. Oktober aus allen gemeinsamen Gremien der Selbstverwaltung zurückzuziehen.
Man bitte um Verständnis, dass man bis dahin für Beratungen im Gemeinsamen Bundesausschuss, der Partner der Bundesmantelverträge einschließlich des Bewertungsausschusses und des ergänzten Bewertungsausschusses nicht zur Verfügung stehen werde, schreiben KBV-Chef Andreas Gassen, KBV-Vize Stephan Hofmeister und KBV-Vorstand Thomas Kriedel.
Das Verhalten des GKV-Spitzenverbandes dokumentiert nach Ansicht der KBV auch, dass ihm die Versorgung der Menschen in Deutschland „vollkommen egal“ sei. Dieses Verhalten könne man „nicht mehr tolerieren“. Am 12. Oktober wollen KBV und Kassenärztlichen Vereinigungen über mögliche weitere Konsequenzen in einer Sondersitzung beraten, hieß es aus Teilnehmerkreisen.
G-BA-Chef Josef Hecken teilte heute mit, er gehe „derzeit von einer dennoch bestehenden Beschlussfähigkeit“ der Gremien aus. Daher finde die Sitzung des Plenums am 6. Oktober 2022 plangemäß statt. Das gelte auch für die geplanten Sitzungen der Unterausschüsse. Inwieweit Beschluss- und Beratungsgegenstände bis zur Rückkehr der KBV vertagt werden könnten, werde „derzeit geprüft“.
„Ich bin der festen Überzeugung, dass sich alle im G-BA zusammengeschlossenen Trägerorganisationen des hohen Wertes einer funktionierenden und auf vertrauensvoller Zusammenarbeit und fairem Interessenausgleich beruhenden Selbstverwaltung bewusst sind“, erklärte Hecken.
Das hätten die Partner der Selbstverwaltung im G-BA in der Vergangenheit oft unter Beweis gestellt. „Dieser Geist wird unsere gemeinsame Arbeit hoffentlich auch in Zukunft prägen. Ich bin in engem Austausch mit dem Vorstand der KBV, der sich selbstverständlich auch des Umstandes bewusst ist, dass wir im G-BA einen gesetzlichen Auftrag erfüllen“, sagte er.
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