Ärzteschaft

Hoppe: Medizinische Leistungen heimlich rationiert

  • Sonntag, 17. Januar 2010
Jörg-Dietrich Hoppe /dpa
Jörg-Dietrich Hoppe /dpa

Frankfurt/Main/Berlin –   Der Präsident der Bundes­ärzte­kammer, Jörg-Dietrich Hoppe, beklagt in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntags­zeitung“, dass es in Deutschland bestimmte medizinische Leistungen nicht mehr für jeden Patienten gibt.

Ärzte und Krankenhäuser stünden unter Budgetdruck und entschieden deshalb, ausgehend vom Einzelfall, bei welchem Patienten sich eine teure individuelle Behandlung besonders lohne. „Im deutschen Gesundheitswesen wird heimlich rationiert, weil nicht genügend Geld zur Verfügung steht, um allen Menschen die optimale Therapie zu verschaffen“, sagte Hoppe.

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) und die gesetzlichen Krankenkassen warnten vor einer Rationierung medizinisch notwendiger Leistungen.

Unterstützung erhielt Hoppe von Medizinethikern und Gesundheitsökonomen. „Die Diskussion über Rationierung im Gesundheitssystem muss jetzt geführt werden“, sagte der Gesundheitsökonom Friedrich Breyer von der Universität Konstanz. Das Wirtschaftswachstum verlangsame sich, und die Menschen würden immer älter. „Wir schaffen es nicht mehr, den Zuwachs an medizinischem Wissen und Kosten durch unsere wachsende Wirtschaft zu finanzieren“, sagte Breyer.

Nach Ansicht der Kölner Medizinethikerin Christiane Woopen ist es in Deutschland ein Tabu, darüber zu sprechen, welche Krankheiten mit welcher Priorität behandelt werden. „Dieses Tabu sollte dringend aufgehoben werden“, sagte Woopen, die auch Mitglied im Deutschen Ethikrat ist. Der Gesundheitsminister solle diese Priorisierung auf seine Agenda setzen und öffentlich darüber debattieren.

Hoppe forderte den Gesundheitsminister Rösler auf, eine offene Debatte darüber zu führen, welche Patienten und Krankheiten künftig mit welcher Priorität behandelt würden: „Diese Entscheidung muss die Politik treffen, nicht die Ärzteschaft.“

Eine Sprecherin Röslers wies die Aufforderung zurück und erklärte, es sei nicht Aufgabe des Gesundheitsministeriums, eine Debatte über die Priorisierung in der Arzneimittelversorgung zu führen oder darüber zu entscheiden. Das Ministerium stehe dafür, eine medizinische Versorgung auf hohem Niveau auch künftig zu erhalten. „Der Bundesgesundheitsminister lehnt eine Priorisierung schon aus ethischen Gründen klar ab“, stellte die Sprecherin klar.

Der GKV-Spitzenverband kritisierte, dass die Bundesärztekammer einer Rationierung das Wort rede, statt konstruktive Vorschläge für die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens zu machen. Jetzt müssten Wirtschaftlichkeitsreserven, zum Beispiel bei Arzneimitteln, im Krankenhaus und in der ambulanten Versorgung, gehoben werden, sagte Verbandssprecher Florian Lanz. Er versicherte, die Krankenkassen kämpften dafür, „dass auch künftig alles, was medizinisch notwendig ist, finanziert wird“.

ddp

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