Vermischtes

Immer mehr ambulante Pflegedienste machen Verluste

  • Montag, 13. November 2023
/picture alliance, Monika Skolimowska
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Bonn – Vielen Anbietern ambulanter Pflege steht das Wasser bis zum Hals. Erneut hat sich jetzt der Evange­li­sche Wohlfahrtsverband Diakonie zu Wort gemeldet. „Fast zwei Drittel der ambulanten Pflegedienste machen finanzielle Verluste", heißt es in einer vorgestern in Berlin veröffentlichten Erhebung des Sozialverbandes.

62 Prozent der Dienste erwarten für 2023 rote Zahlen, jeder zehnte Anbieter fürchtet in den kommenden bei­den Jahren das Aus. Etwa ein Drittel der ambulanten Pflegedienste hat der Umfrage unter 562 Trägern zufolge nur noch eine Liquiditätsreserve von maximal drei Monaten.

Alarm geschlagen hatte im Frühjahr auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa). 77 Pro­zent gaben bei einer Verbands-Umfrage unter 2.427 ambulanten Pflegediensten, Heimen und Tagespflegen an, in den vergangenen drei Monaten „signifikante negative Veränderungen“ ihres Betriebsergebnisses festgestellt zu haben. 68 Prozent erklärten, dass ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet sei.

Ein wenig gelassener sieht das der Branchendienst pflegemarkt.de – zumindest, was das vergangene Jahr angeht. 2022 verschwanden nach seinen Berechnungen durch Pleiten, Insolvenzen und Geschäftsaufgaben 600 Heime und ambulante Dienste vom Markt.

Auf der anderen Seite verzeichnete das Gründungsradar des Branchendienstes bis April 2023 150 neue Pfle­gedienste und 38 Neueröffnungen von Pflegeheimen mit 2.817 Plätzen. Gewisse Turbulenzen seien auf dem Pflegemarkt üblich, so die Einschätzung.

„Ambulante Pflegedienste sind eine unverzichtbare Säule unseres Gesundheitssystems“, sagt Diakonie-Sozial­vorständin Maria Loheide. Von den rund 4,9 Millionen Pflegebedürftigen werden 980.000 von ambulanten Pfle­gediensten betreut. Deren Zahl ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen – auf mehr als 15.300 mit rund 422.000 Beschäftigten.

Loheide sieht die Altenpflege auf dem Weg in eine „prekäre Situation“. Wer ambulante Pflege suche, müsse schon heute oft 15 bis 20 Dienste anfragen, um eine Zusage zu erhalten. Und der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, berichtet, dass es immer häufiger vorkomme, dass Pflegedienste binnen eines Tages fern blieben, weil gesetzliche Kündigungsregeln fehlten.

Pflegeexperten warnen seit Jahren, dass dieser zentrale Bereich des deutschen Sozialstaats unterversorgt sei. Doch zuletzt hat sich die Lage deutlich zugespitzt. Die Gründe: Inflation und steigende Energie- und Material-Preise. Darüber hinaus auch steigende Personalkosten, weil Anbieter mittlerweile verpflichtet sind, Tariflöhne zu zahlen. Das ist zwar gesellschaftlich erwünscht.

Doch können Pflegedienste diese steigenden Kosten nicht einfach auf die Preise aufschlagen. Sie müssten warten, bis die Pflegekassen höhere Vergütungen beschließen – und das dauert. Erlöseinbrüche ergeben sich im übrigen auch durch Personalmangel: Weil Pflegekräfte fehlen, müssen die Leistungen zurückgefahren werden. Ein Teufelskreis.

Was ist zu tun? Loheide fordert Sofortmaßnahmen, darunter „eine bessere Zahlungsmoral der Kostenträger und die sofortige Berücksichtigung von Tarifsteigerungen sowie die Anpassung der Pflegesätze an die ge­stiegenen Kosten“. Pflegeverbände fordern außerdem, den Beruf attraktiver zu machen – unter anderem durch mehr Kompetenzen auch für ambulante Pflegekräfte bei der gesundheitlichen Versorgung.

Mit Blick auf den stark wachsenden Anteil älterer Menschen sind allerdings weitere Maßnahmen notwendig, um das Ziel zu erreichen, dass möglichst viele Menschen möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden bleiben können. Dazu gehören, wie ein Konzept des bayerischen Gesundheitsministeriums betont, eine verbesserte Beratungsstruktur, der Einsatz digitaler Techniken sowie der Ausbau von Kurzzeit-, Tages-, Nachtpflegeplätzen und Begegnungsstätten.

kna

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