Impfdruck: Aiwanger sieht Gesprächsbedarf

München – Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger hat in der koalitionsinternen Diskussion in Bayern über möglichen politischen Druck auf Menschen, die sich bisher nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 haben impfen lassen, nachgelegt. Er sehe Gesprächsbedarf mit Ministerpräsident Markus Söder (CSU), sagte Aiwanger heute. „Wir werden reden müssen.“
Söder hatte vorgestern nach einer Kabinettssitzung unter anderem gesagt, er könne sich vorstellen, Coronatests künftig nicht mehr kostenrei anzubieten – auch um den Anreiz, sich impfen zu lassen, zu erhöhen. Söder hatte auch mehr Freiheiten für Geimpfte in Aussicht gestellt.
„Ich glaube, der erste Ansatz, den wir dringend brauchen, ist mehr Freiheiten für Geimpfte“, sagte Söder. Dazu gehöre etwa der Wegfall von Quarantänevorschriften für zweifach Geimpfte und „ab Herbst auf jeden Fall die Öffnung von Clubs und Nachtgastronomie“.
Aiwanger erklärte, Impfen sei ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Corona, aber nicht der einzige. Es müsse auch das Thema Testen weiter verfolgt werden. „Also auch ein negativ Getesteter muss in die Disco dürfen“, betonte Aiwanger. Wenn man nur Geimpfte in eine Disco lasse und Ungeimpfte nicht, dann werde es zum Vorwurf der Zwei-Klassen-Gesellschaft kommen.
Während Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) in Bayern versuchen, die Menschen zum Impfen zu bewegen, fährt ihnen ihr eigener Koalitionspartner immer wieder in die Parade. Aiwanger, der Bayerns Wirtschaftsminister ist, äußert sich auch gestern erneut skeptisch zum Thema Impfen.
„Wir dürfen nicht unter dem Eindruck von Corona von Grundrechten abweichen“, sagte der Freie-Wähler-Chef gestern Abend in München. „Eine Impfung ist ein medizinischer Eingriff, die Entscheidung darüber ist ein elementares bürgerliches Freiheitsrecht.“
Aiwanger hat sich bislang nicht impfen lassen und will sich dabei auch nicht von der CSU unter Druck setzen lassen. „Für mich wäre der Druck nur gerechtfertigt, wenn ein Geimpfter sagen könnte, der Ungeimpfte schadet mir unzumutbar“, betonte er.
Er führte weiter aus: „Jetzt die Torschlusspanik zu bekommen, weil wir bisher 50 Prozent vollständig Geimpfte haben und nicht 60 oder 70 Prozent, halte ich für übertrieben.“ Zwang sei das falsche Rezept, weil dies nach seiner Überzeugung nur die Widerstände in Teilen der Bevölkerung verstärken würde.
Der stellvertretende Ministerpräsident wies Kritik zurück, dass seine Haltung Impfgegner befeuere, die grundsätzlich gegen jegliche Impfungen sind. Denn diese würden nach Aiwangers Überzeugung die Coronaimpfung auch ohne ihn ablehnen.
„Der harte Kern der Impfgegner braucht mich nicht“, sagte Aiwanger dazu. Ungeachtet der jüngsten Reibereien pro und kontra Impfen sagte er: „Die Koalition in Bayern funktioniert, läuft gut.“ Über Söder und die CSU beschwerte Aiwanger sich nur leicht: „Ich sage mal, das erschwert es unnötig.“
Die Bundesregierung hatte zuletzt eine Impfpflicht in Deutschland weiter ausgeschlossen, aber an die Verantwortung aller Menschen appelliert, sich impfen zu lassen.
„Eine Impfung schützt nicht nur Sie, sondern auch immer jemanden, dem Sie nahe stehen, der Ihnen wichtig ist, den Sie lieben“, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor einigen Tagen bei einem Besuch des Robert-Koch-Instituts (RKI) gesagt.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: