Politik

Impfstoffe gegen Omikronvariante zugelassen, warten auf STIKO-Empfehlung

  • Freitag, 2. September 2022
/picture alliance, CHROMORANGE, Michael Bihlmayer
/picture alliance, CHROMORANGE, Michael Bihlmayer

Brüssel – Die Europäische Kommission hat zwei an die Omikron-Variante angepasste Coronaimpfstoffe zuge­lassen. Das teilte die Kommissarin für Gesundheit, Stella Kyriakides, gestern Abend auf Twitter mit. Zuvor hatte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen.

Fachleute der Behörde hatten gestern zuvor grünes Licht für Anträge von Biontech/Pfizer und dem US-Unter­nehmen Moderna gegeben. Nach Angaben von Kyriakides traf die Kommission ihre Entscheidung dann bereits wenige Stunden danach.

Bei den Impfstoffen geht es um bivalente mRNA-Präparate, die vor dem ursprünglichen SARS-CoV-2 und vor der Omikron-Sublinie BA.1 schützen. Eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) für Deutsch­land steht noch aus. BA.1 spielt hierzu­lande zwar keine Rolle mehr, Experten gehen aber davon aus, dass die neuen Vakzine auch einen Vorteil ge­gen den derzeit dominierenden Subtyp BA.5 bringen.

An Omikron angepasste Coronaimpfstoffe sind Medizinern zufolge für eine große Zahl an Menschen in Deutschland sinnvoll, einen bevölkerungsweiten Einsatz halten sie aber nicht für nötig. „Die neuen angepas­sten Impfstoffe kommen für die Gruppen in Frage, denen die Ständige Impfkommission bereits eine zweite Boosterimpfung empfiehlt“, sagte Leif Sander, Impfstoffexperte der Berliner Charité und Mitglied des Coronaexpertenrats der Bundesregierung.

Das seien Personen über 60 Jahre, Gruppen mit Risikofaktoren und Mitarbeiter im Gesundheitswesen, die bis­lang noch keine vierte Impfung bekommen haben. „Dies jetzt nachzuholen, würde ich empfehlen für eine wahr­scheinliche zusätzliche Schutzwirkung.“ Wer im Sommer eine Durchbruchsinfektion hatte, brauche zu­nächst keinen zusätzlichen Booster und sollte mindestens drei Monate abwarten.

Sander plädierte dafür, den jeweils aktuellsten verfügbaren Impfstoff für den größtmöglichen Zusatznutzen zu nehmen – „also den, der besonders nah an der zirkulierenden Variante dran ist“. Wenn demnächst noch die an die derzeit zirkulierenden Sublinien BA.4/BA.5 angepassten Impfstoffe kämen, präferiere er diese. „Man muss aber auch sagen: Es gibt wahrscheinlich keine riesengroßen Unterschiede zwischen den Impfstoffen.“

Wegen der unzähligen verschiedenen Konstellationen von bisherigen Impfungen und Infektionen wird es aus Sicht des Charité-Forschers immer schwieriger werden, einzelne Impfentscheidungen durch eine generelle STIKO-Empfehlung abzudecken. „Das heißt: Es kann viele individuelle Gründe geben, dass jemand, der nomi­nell nicht unter die STIKO-Empfehlung fällt, sich doch für eine vierte Impfung entscheidet – und das kann man auch machen.“

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck, der ebenfalls im Coronaexpertenrat sitzt, warnte vor überhöhten Erwar­tungen an die neuen Impfstoffe. „Der Booster sorgt noch einmal für etwas gesteigerte Antikörperspiegel im Blut von Geimpften. Wie gut er vor einer Infektion schützt, wurde nicht getestet.“ Man müsse davon ausgehen, dass der Effekt ausfalle wie beim bisherigen Booster, also mit einem Schutz vor Ansteckung für einen unge­fähren Zeitraum von drei Monaten.

„Ein Schutz vor Ansteckung für einen längeren Zeitraum ist nicht bewiesen und auch nicht wahrscheinlich“, sagte Streek, der das Institut für Virologie der Universität Bonn leitet. Trotz allem sei auch bei den neuen Impfstoffen ein guter Schutz vor schwerer Erkrankung wie bei den vorherigen Produkten gegeben. Zudem hätten die bisherigen Daten gezeigt, dass das Profil der Nebenwirkungen sehr ähnlich ist wie bei den ur­sprünglichen COVID-19-Impfstoffen.

Streeck betonte, er wünsche sich eine klare Kommunikation der Politik, für wen eine vierte Impfung mit dem angepassten Impfstoff überhaupt notwendig ist. Dass es dazu bisher keine Stellungnahme der STIKO gebe, finde er vertretbar. „Angesichts der vorliegenden Daten sehe ich keinen ganz akuten Handlungsbedarf. Denn man darf sich von dem angepassten Impfstoff nun nicht zu viel versprechen und denken, dass das jetzt der Gamechanger in der Pandemie wäre.“

Der Amtsärzte-Verbandschef Johannes Nießen riet, wer sich jetzt eine vierte Impfung holen wolle, solle nicht zögern und auf weitere Impfstoffe warten. „Er macht nichts falsch, wenn er den BA.1-Impfstoff nutzt“, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienste (BVÖGD) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Derzeit könne man noch nicht sagen, welcher der beiden Impfstoff­ty­pen im Herbst und Winter besser schützen werde, weil dafür noch Daten fehlten. „Wir wissen nicht einmal, welche Variante im Herbst und Winter dominant sein wird.“

dpa

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