In Baden-Württemberg sind fast 1.000 Hausarztsitze vakant

Stuttgart – In Baden-Württemberg sind im Augenblick 963 Hausarztsitze nicht besetzt – und mit 3.000 Hausärzten über 60 Jahre steht die große Ruhestandswelle noch bevor. Darauf weist die Kassenärztliche Vereinigung (KV) des Bundeslandes hin und kritisiert, dass die hausärztlichen Leistungen seit dem vierten Quartal 2023 wieder budgetiert werden, was die Versorgung weiter schwäche.
„Die Politik müsste dringend bessere Rahmenbedingungen schaffen, um den Kollaps der ambulanten Versorgung zu vermeiden“, erklärten die Vorstände der KV, Karsten Braun und Doris Reinhardt. Zudem seien die Krankenkassen gefordert, für eine ausreichende Finanzierung des ambulanten Sektors zu sorgen.
„Fachärzte müssen schon viele Jahre Quartal für Quartal Leistungen im Wert von rund 45 Millionen Euro erbringen, die sie nicht vergütet bekommen“, hieß es aus der KV.
Laut einem neuen Bericht der KV Die ambulante medizinische Versorgung 2024 hält der Trend zu Anstellung und Teilzeittätigkeit weiter an.
Zu Beginn des Jahres 2024 arbeiteten danach 33 Prozent der KV-Mitglieder in Teilzeit und der Anteil der Angestellten hat sich von sieben Prozent im Jahr 2010 auf 27 Prozent im Jahr 2024 nahezu vervierfacht. Die veränderten Arbeitszeitmodelle wirken sich laut der KV stark auf die Versorgung aus, weil weniger Arztzeit zur Verfügung stehe, obwohl die Zahl der KV-Mitglieder steige.
Die KV weist in der Publikation auf ihre Maßnahmen hin, welche die Versorgung stabilisieren sollen. „Der ärztliche Nachwuchs ist der Schlüssel zur Sicherung der ambulanten Versorgung von morgen, daher fördern wir die Weiterbildung“, betonte Braun. Zudem begleiteten Koordinierungsstellen der KV die Medizinstudierenden bereits während ihrer Ausbildung.
„Diese enge Unterstützung ist entscheidend, um Nachwuchsmediziner frühzeitig in die ambulante Versorgung einzubinden und für die Region zu gewinnen“, so Reinhardt. Darüber hinaus unterstütze die KV mit dem Programm „Ziel und Zukunft“ die Gründung und Übernahme von Praxen sowie Anstellungen in ausgewiesenen Fördergebieten mit einem Zuschuss von bis zu 80.000 Euro.
Eine wichtige Rolle spielt laut dem Bericht auch der Kommunalservice der KV, der in prekären Regionen aktiv ist. In enger Zusammenarbeit mit Bürgermeistern, Landratsämtern und den lokalen Akteuren werden Strategien zur Sicherstellung erarbeitet. „Doch die besten Förderprogramme nutzen nichts, wenn die Rahmenbedingungen nicht mehr stimmen und Ärzten durch Regresse und Einzelfallprüfanträge der Krankenkassen die Versorgung erschwert wird“, so Braun.
„Die Menschen in Baden-Württemberg müssen sich darauf einstellen, dass es immer weniger Arztzeit gibt. Das bedeutet zukünftig weniger Arzttermine und weniger Zeit pro Termin für Patienten“, kommentierte Brigitte Szaszi, Vorsitzende der Landesgruppe Baden-Württemberg im Virchowbund, den KV-Berricht.
Die Politik habe in den vergangenen Jahren zu wenig getan, um dem Trend ‚Anstellung statt Niederlassung‘ etwas entgegenzusetzen. „Wenn immer mehr Praxen schließen und Arzttermine rar werden, verschlechtert sich die Grundversorgung der Menschen. Das führt zu Verunsicherung, Wut und Ängsten und gefährdet den sozialen Frieden und die Demokratie.“
Sie monierte, auf Bundesebene lasse die versprochene Entbudgetierung auf sich warten – und in Baden-Württemberg würden erstmals seit Jahrzehnten auch die hausärztlichen Leistungen nicht mehr voll bezahlt.
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