Intensivmediziner für gesetzliche Regelung der Triage

Berlin – Um Intensivmedizinern bei einer Triage für die Behandlung von COVID-19-Patienten Rechtssicherheit zu geben, hat die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) den Gesetzgeber aufgerufen, schnellstmöglich eine Gesetzgrundlage zu schaffen.
Die Fachgesellschaft reagiert damit auf eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht, die kürzlich neun Menschen mit Behinderung eingereicht hatten. Sie wenden sich indirekt gegen die im Frühjahr verabschiedete Triage-Empfehlung für Intensivmediziner. Befürchtet wird, dass ihnen im kritischen Fall eine „medizinische Aussortierung“ droht.
Vor diesem Hintergrund hat die DIVI heute erneut betont, dass die Gleichbehandlung aller Patienten bei der Triage oberste Priorität habe. „Welcher Patient wird jetzt und hier eher überleben? Das ist die entscheidende Frage in der Triage“, erklärte DIVI-Präsident Uwe Janssens.
Die Orientierung an der prognostizierten Überlebenswahrscheinlichkeit stelle sicher, dass im Fall fehlender Ressourcen zuerst diejenigen nicht weiter behandelt werden, die trotz bester intensivmedizinischer Therapie mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit versterben würden.
Nach diesem Grundsatz kämen Intensivmediziner und Pflegekräfte auch dem Auftrag der Solidargemeinschaft nach, die begrenzt verfügbaren Mittel so einzusetzen, dass die meisten Menschenleben gerettet werden können.
Bewertungsgrundlage der DIVI-Empfehlung sei dabei weder die zu erwartende verbleibende Lebenszeit nach der Erkrankung, was eine Schlechterstellung alter Menschen allein aufgrund ihres Alters bewirken würde, noch die Lebensqualität vor oder nach der aktuellen Erkrankung. Dies verhindere laut DIVI eine pauschale Schlechterstellung von Menschen mit einer Behinderung oder chronisch Kranken.
Nach Angaben der Aktionsplattform Abilitywatch zielt die Verfassungsbeschwerde vor allem darauf ab, verfassungsrechtlich nachprüfbare Kriterien für unvermeidbare Triage-Entscheidungen per Gesetz zu erwirken. Es sei keine medizinische Frage, sondern eine gesellschaftliche, schreibt Abilitywatch. Die Politik müsse schnellstmöglich den Ernstfall regeln.
Das sieht Leitlinien-Mitautor Jochen Taupitz, Vorsitzender der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer, ähnlich: „Die bestehende Rechtsunsicherheit, welche Kriterien im Fall einer Pandemie bei der Verteilung knapper medizinischer Ressourcen maßgeblich sein sollen, ist für die Ärzteschaft eine unzumutbare Belastung“, sagte er. Die Forderung nach einer gesetzlichen Grundentscheidung sei nachdrücklich zu unterstützen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: