Ärzteschaft

Jeder zweite Behandelnde hat App auf Rezept verordnet

  • Dienstag, 27. Februar 2024
/Nuchjaree, stock.adobe.com
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Berlin – Im vergangenen Jahr haben rund 56,2 Prozent der Ärzten mindestens eine digitale Gesundheitsan­wendung (DiGA) verordnet. Das ergab eine Umfrage der Barmer unter 1.000 Ärzten und Psychotherapeuten mit Patientenkontakt vom November/Dezember 2023.

Nur knapp ein Drittel der ambulant in Praxen tätigen Ärztinnen und Ärzte schätzen allerdings ihren Kenntnis­stand zu den Gesundheitsapps auf Rezept als gut oder sehr gut ein (26 Prozent). Mehr als ein Drittel der Ver­ord­nungen – und damit der größte Anteil – erfolgte zudem durch Hausärztinnen und Hausärzte (34,2 Pro­zent).

Im heute vorgestellten Arztreport der Barmer wurden die Daten der Umfrage unter Behandelnden sowie 1.711 Patienten (durchgeführt im März 2023) als auch analysierte Routinedaten aufbereitet.

„Die Ergebnisse zeigen, dass es wichtig ist, Wissen über die Indikation und Anwendungen der DiGA zu fördern“, sagte Christoph Straub, Vorsitzender des Barmer-Vorstandes, heute bei einer Pressekonferenz. Potenzieller Nutzen müsste auf beiden Seiten – Behandelnde und Patienten – besser betont werden.

47 Prozent der Verordner seien der Meinung, dass eine DiGA die Behandlung häufig oder sehr häufig sinnvoll unterstütze. Dabei spielen aber auch eigene Erfahrungen und die digitale Affinität eine zentrale Rolle, inwie­weit DiGA verordnet werden. Dem Arztreport zufolge verschreiben die Behandelnden mehr als doppelt so häufig DiGA, wenn sie selbst häufiger Gesundheitsapps nutzen.

Die Daten zeigen auch, dass viele Patienten den vorgeschriebenen Zeitraum der DiGA von 90 Tagen nicht voll nutzen. 14,8 Prozent würden die App nicht einmal einen Monat lang nutzen. 28,3 Prozent brechen die Be­hand­lung vor Ablauf der drei Monate ab. Da die Kosten für die Nutzung der drei Monate allerdings bei durch­schnittlich 367 Euro liegen würden, seien diese Zahlen der Barmer zufolge zu niedrig.

Knapp 18 Prozent der aktivierten, beziehungsweise verordneten Apps werden zudem gar nicht eingelöst. „Wir fordern deshalb einen Testzeitraum von 14 Tagen zu Beginn einer Therapie mit DiGA. Damit können Patienten sowie Behandelnde ausprobieren, ob eine solche App zu ihnen passt“, betonte Straub.

Zudem sieht er das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in der Pflicht, die Liste der DiGA zu optimieren. Bereits heute gibt es eine Liste auf der Webseite des BfArM über zugelassene Apps.

Allerdings sollte deutlicher und einheitlicher herausgestellt werden, wie diese Apps einzusetzen und für wen sie am besten geeignet sind, forderte Straub. 45 Prozent der Behandler hätten das Verzeichnis des BfArM etwa noch nie genutzt, heißt es im Arztreport.

Vor allem Frauen, Stadtbewohner und Menschen mittleren Alters nutzen die Apps

Problematisch sei zudem, dass die Apps nicht in allen Bevölkerungsgruppen angekommen seien. So nutzen mehrheitlich Frauen die Apps auf Rezept. 359 Frauen von 100.00 Einwohnern nutzten 2022 die Apps, wäh­rend es bei Männern nur 181 waren. Zudem werden die meisten Apps an Menschen zwischen dem 25. und 60. Lebensjahr verordnet.

Außerdem werden DiGA deutlich stärker im städtischen Bereich als in ländlichen Regionen verschrieben. Das ursprüngliche Versprechen zu den digitalen Anwendungen, dass diese dazu beitragen würden, die Versorgung im ländlichen Raum sicherzustellen, könne damit noch nicht eingelöst werden, betonte Joachim Szecsenyi, Autor des Arztreports und Geschäftsführer des aQua-Instituts in Göttingen.

„Insgesamt sehen wir die Entwicklung der DiGA aber positiv“, resümierte Straub. Die Verordnungszahlen wür­den mit den jüngeren Generationen weiter anwachsen, die mit digitalen Lösungen aufgewachsen sind, ist sich Straub sicher. Auch die Bereitschaft und technische Kompetenz mit diesen Apps umzugehen, werde damit steigen.

„Wir wollen, dass die Apps, die eine interaktive Auseinandersetzung mit der eigenen Erkrankung möglich machen, dort wo es indiziert ist, auch häufig eingesetzt werden“, betonte Straub. „Der Einsatz von DiGA steckt noch in den Kinderschuhen. Auf längere Sicht können sie aber ein wertvoller Bestandteil in der Versorgung der Patientinnen und Patienten werden. Das Fundament hierfür ist mehr Transparenz“, ergänzte Szecsenyi.

Seit der Einführung von DiGA im Oktober 2020 gab es bis Ende 2023 rund 600.000 Verordnungen. Dabei ist die Verordnungszahl in den vergangenen Jahren stetig angestiegen. Im November vergangen Jahres gab es die meisten Verordnungen (37.800), im Dezember waren es 31.700.

Mehr als 50 Prozent der zugelassenen DiGA werden im Bereich des Bewegungsapparates, bei Adipositas oder Tinnitus verordnet. Es gibt aber auch Apps im Bereich psychischer Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen sowie bei Erektionsstörungen, Migräne, Endometriose oder Krebs.

cmk

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