Jüngere Schüler erhalten häufiger die Diagnose ADHS

Nottingham – Die jüngsten Kinder einer Jahrgangsstufe werden häufiger mit einer Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) diagnostiziert als ihre älteren Klassenkameraden. Dieser Zusammenhang habe sich in den letzten Jahren sogar noch verstärkt, teilen Forscher von der University of Nottingham mit. Die Ergebnisse aus finnischen Bevölkerungsregisterdaten wurden in Lancet Psychiatry publiziert (2017; doi: 10.1016/S2215-0366(17)30394-2).
Die Inzidenz von ADHS variiert zwischen verschiedenen Ländern. Frühere Studien hatten den hier beschriebenen Zusammenhang zwischen relativem Alter und ADHS-Diagnose bereits für Länder nachgewiesen, in denen vergleichsweise viele Kinder mit ADHS neu diagnostiziert werden (beispielsweise Canada, Island, Israel und USA; Pediatrics 2012). Erstmals wurde nun auch für ein Land wie Finnland mit geringen ADHS-Neudiagnoseraten im Kindesalter nachgewiesen, dass die Altersdifferenz innerhalb eines Jahrgangs sich auf die Diagnosehäufigkeit auswirkt.
Die finnischen Registerdaten verglichen eine Kohorte von ADHS-Kindern, die zwischen 1991 und 2004 geboren wurden mit Kinder der Jahrgänge 2004 bis 2011. Zudem wurden die Altersklassen innerhalb eines Jahrgangs untereinander verglichen: Kinder in einer Schulklasse liegen im Alter bis zu maximal zwölf Monaten auseinander. Die ältesten sind zwischen den Monaten Januar und April geboren, die jüngsten in einem Schuljahrgang zwischen September und Dezember.
Immer mehr ADHS-Neudiagnosen bei den jüngsten der Jahrgangsstufe
In den Geburtsjahrgängen 1991 bis 2004 erhielten die jüngsten Jungs eines Jahrgangs 26 Prozent häufiger eine ADHS-Diagnose, bei den Mädchen waren es sogar 31 Prozent mehr im Vergleich zu den etwas älteren Januar/April-Kindern. Noch deutlicher kam der Zusammenhang bei den Geburtsjahrgängen 2004 bis 2011 zur Geltung: Kinder, die in den Monaten Mai bis August zur Welt kamen, hatten ein um 37 Prozent höheres Risiko für eine ADHS-Diagnose als die Kinder, die zwischen Januar und April geboren wurden. Bei September- bis Dezember-Kindern stieg der Unterschied zu den älteren Klassenkameraden sogar auf 64 Prozent.
Die Studienautoren warnen: Lehrer und Eltern könnten Anzeichen für ADHS fälschlicherweise mit Unreife gegenüber den etwas älteren Klassenkameraden verwechseln. Die Forscher plädieren daher für ein flexibleres Einschulungsalter, das unreifen Kindern einen späteren Schulanfang ermöglicht.
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