Junge DGIM: Werden uns alle mit KI beschäftigen müssen

Wiesbaden – Ärzte sollten sich nicht vor den zunehmenden Angeboten und Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz (KI) im Gesundheitssektor wegducken. Das machte Christian Becker, Sprecher der Jungen DGIM und Facharzt für Kardiologie am Universitätsklinikum Göttingen, auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) deutlich.
„Alle die wir hier sitzen, werden uns damit beschäftigen müssen, weil KI kommen wird.“ Becker sprach von der „größten Revolution der letzten Jahrzehnte, wenn nicht sogar der letzten Jahrhunderte“. „Wenn KI zur bestmöglichen Therapie oder Diagnostik beiträgt, dann müssten Sie sie auch anwenden, weil Sie sonst in ein ethisches Dilemma kommen.“
Bei der fortschreitenden Digitalisierung wünsche sich die Junge DGIM eine stärkere Einbindung der Ärzte, sagte Becker. Das sei nicht als Vorwurf an entwickelnde Unternehmen gemeint, sondern als Appell an die Ärzteschaft, sich mehr mit dem Thema zu beschäftigen und Digitalisierung mehr ins Studium und die Weiterbildung zu integrieren.
Zur Digitalisierung gehören nicht nur KI, sondern auch die gerade erst eingeführte elektronische Patientenakte, DIGA, Telemedizin und die Nutzbarkeit von Forschungsdaten. „Wir alle müssen uns damit beschäftigen.“ Dabei sei Digitalisierung kein Selbstzweck. „Das Ziel muss bessere Qualität in der Patientenversorgung sein.“
Becker betonte, dass die patientenseitige Nutzung von KI die Arbeit von Ärztinnen und Ärzten verändern werde. „Patienten werden künftig ganz anders informiert sein. Die werden mit der Diagnose zum Arzt kommen.“ Die Aufgabe des Arztes oder der Ärztin sei es dann, für ihre Patienten und Patientinnen einzuordnen, was KI gut könne – und was auch nicht.
Es sei wichtig, dass in Europa die KI-Revolution aktiv mitgestaltet werde. „Wenn wir den Zeitpunkt verpassen, werden wir in zehn oder 20 Jahren nur noch das machen können, was uns international, außereuropäisch vordiktiert wird.“ Deshalb müsse man sich damit beschäftigen.
Bei der Weiterentwicklung von KI und digitalen Angeboten sollte unter anderem darauf geachtet werden, dass sich Digitalisierung am medizinischen Bedarf orientieren müsse, und nicht an technischer Machbarkeit. Es müssten zudem bürokratische Hürden reduziert werden, um digitale Tools effizient nutzen zu können. Es sollten auch ethische Leitlinien für KI-gestützte Diagnostik und Therapieentscheidungen entwickelt werden, so Becker.
Martin Hirsch, Leiter der Arbeitsgruppe „KI in der Inneren Medizin“ der DGIM sowie Universitätsprofessor und Direktor des Instituts für KI in der Medizin der Philipps-Universität Marburg und des Uniklinikums Gießen/Marburg (UKGM) beschäftigt sich intensiv mit KI und Ethik.
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigten vielversprechende Ergebnisse für KI nicht nur in medizinischen Kerndisziplinen wie Befunderhebung, Diagnosestellung und Therapiefindung, sondern auch in Pflege, Dokumentation, Verwaltung und Monitoring, bis hin zu medizinethischer Falleinschätzung und medizinrechtlicher Beratung, sagte Hirsch auf dem DGIM-Kongress. Dabei seien die „Ergebnisse so vielversprechend, dass es unethisch wäre, KI nicht in der Medizin einzusetzen.“
Die Ärzteschaft würde KI gerne nutzen, um ihre kognitive Last zu reduzieren, so Hirsch. Patienten würden sich mit KI gerne informieren. Als möglichen Weg, eine KI bereitzustellen, die Ärzte im Rahmen ihrer beruflichen Ethik guten Gewissens einsetzen können, schlägt Hirsch vor, einen „Hippokratischen Eid für KI-Entwickler“ einzuführen.
„Also eine Art Genfer Gelöbnis für Ingenieure, die medizinische Entscheidungsunterstützungssysteme entwickeln und für Firmen, die solche Produkte auf den Markt bringen.“ Der Arzt hätte dadurch die Gewissheit, dass er das Produkt einsetzen kann, ohne dass er dadurch seine eigene Berufsethik verletzt. „Der Patient hätte die Gewissheit, dass er dem Produkt in ähnlicher Weise vertrauen darf, wie dem Arzt“, so Hirsch.
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