Medizin

Kälte schützt vor Schwangerschafts­diabetes

  • Dienstag, 16. Mai 2017
rcfotostock, stock.adobe.com
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Toronto – Frauen, die während der Schwangerschaft kälteren Außentemperaturen ausgesetzt waren, erkrankten in einer kanadischen Großstadt deutlich seltener an einem Schwangerschaftsdiabetes als in wärmeren Jahreszeiten. Dies zeigen die Ergebnisse einer bevölkerungsbasierten Studie im Canadian Medical Association Journal (2017; 189: E682-E689).

Experimentelle Studien zeigen, dass die Temperatur den Stoffwechsel beeinflusst und möglicherweise sogar einen Typ 2-Diabetes abschwächen kann. In einer Studie wurden 17 gesunde Probanden langsam an die Kälte gewöhnt. Am ersten Tag verbrachten sie zwei Stunden in einem 14 bis 15 Grad kalten Raum. Danach wurde die Kältedosis langsam auf bis zu sechs Stunden am zehnten Tag gesteigert. Die Forscher fanden heraus, dass die Probanden die Wärmeabgabe über ihr braunes Fettgewebe erhöhten und mehr Wärme produzierten – ohne dabei zu frieren (J Clin Invest 2013; 123: 3395-3403). Das gleiche Experiment verbesserte bei acht Probanden mit Typ 2-Diabetes die Insulinsensitivität um 43 Prozent (Nature Medicine 2015; 21: 863-865).

Die verbesserte Insulinwirkung sollte die Verteilung des Blutzuckers im Körper verbessern und einen Diabetes verhindern. Gillian Booth vom Institute for Clinical Evaluative Sciences (ICES) in Toronto hat dies jetzt an Schwangeren untersucht, die aufgrund des vermehrten Glukosebedarfs gegen Mitte der Schwangerschaft an einem Gestationsdiabetes erkranken können.

Booth hat dies nicht etwa in einer experimentellen Studie untersucht. Schwangere einer vermehrten Kälte auszusetzen, hätte vermutlich nicht die Zustimmung einer Ethik­kommission erhalten. Der Forscher hat vielmehr eine epidemiologische Untersuchung durchgeführt, in der er die Häufigkeit des Gestationsdiabetes in der 27. Schwanger­schaftswoche mit den Außentemperaturen in Verbindung setzte. Der Raum Toronto bietet hier gute Voraussetzungen, weil die durchschnittlichen Tagestemperaturen im Sommer aufgrund des kontinentalen Klimas auf 24 Grad ansteigen, während sie im Winter auf unter 10 Grad abfallen können.

Das Ergebnis war eine einigermaßen lineare Beziehung zwischen der Außentemperatur und der Zahl der Diagnosen. Bei Außentemperaturen unter 10 Grad betrug die Prävalenz 4,6 Prozent, im Sommer mit Temperaturen über 24 Grad wurde bei 7,7 Prozent der Schwangeren ein Gestationsdiabetes diagnostiziert. Pro 10 Grad Temperaturanstieg ergab dies eine Odds Ratio von 1,06, die mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 1,04 bis 1,07 signifikant war. Der gleiche Effekt wurde auch beobachtet, wenn zwei Schwangerschaften der gleichen Frau miteinander verglichen wurden. Die adjustierte Odds Ratio betrug ebenfalls 1,06 (1,03-1,08).

Möglicherweise ist der Einfluss noch größer, als die Studie erwarten lässt. In den kälteren Monaten halten sich die meisten Personen häufiger in der Wohnung auf und bewegen sich weniger. Bewegungsmangel verschlechtert die Insulinsensitivität. Wenn die Frauen sich in den Wintermonaten mehr bewegt hätten, wäre der Einfluss der Kälte noch größer gewesen, vermutet Booth.

rme

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