Ärzteschaft

Kammer Westfalen-Lippe verabschiedet Positionspapier zur Digitalisierung

  • Dienstag, 4. April 2017

Münster – Die Delegierten der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) haben sich bei ihrer Kammerversammlung am Wochenende mit der umstrittenen Digitalisierung des Gesundheitswesens auseinandergesetzt und ein Positionspapier dazu verabschiedet.

„Wir müssen die Digitalisierung mehr von den Möglichkeiten und Chancen ansehen, die sie haben kann, als von den Schäden und Bedrohungen, die von ihr ausgehen können“, plädierte Michael Schwarzenau. „Wir reden bei E-Health allerdings von Dingen, die längst überholt sind“, so der Hauptgeschäftsführer der ÄKWL weiter und verdeutlichte dies an einem Smartphone. „Das iPhone gab es vor elf Jahren noch nicht. Da haben wir aber schon mit genauen Vorstellungen von der elektronischen Gesundheitskarte gesprochen. Und jetzt gucken Sie mal, wo das iPhone heute steht.“

Digitale Anwendungen seien aus dem Leben nicht mehr wegzudenken. Zwei Drittel aller Internetnutzer informierten sich laut einer Studie über Gesundheitsthemen. Jeder fünfte Deutsche habe einen Fitness-Tracker. „Da werden Sie mit ihrer Expertise gefragt sein“, sagte Schwarzenau. „Die digitalen Anwendungen werden kommen.“ Daher sollten sich die Ärztekammern Nordrhein (ÄKNO) und Westfalen-Lippe in die weiteren Entwick­lungen einbringen.

Digitalisierung: „Standards fehlen noch“

Der Ansicht des Hauptgeschäftsführers folgten die Delegierten und begrüßten mehrheit­lich das Positionspapier, das die Vorstände beider Ärztekammern gemeinsam erarbeitet haben. Darin sind Anforderungen an die Entwicklung und Nutzung digitaler Anwendun­gen aus ärztlicher Sicht benannt. Zu ihnen zählt auch, dass Telematik und Telemedizin die Versorgung der Patienten verbessern und Datenschutz auf höchstem Niveau ge­währ­leistet sein muss.

Kritisch diskutierten die Kammversammlung unter anderem über die bislang nicht gelöste Schnittstellenproblematik bei der Digitalisierung. „Ich versuche digital zu arbeiten, aber die Standards fehlen noch“, stellte Detlef Merchel fest. „Da gibt es Brüche und an den Brüchen verdienen andere und nicht wir.“ Dennoch riet der Delegierte der Facharztliste und niedergelassene Gynäkologe dazu auf, sich an der Digitalisierung mitzuarbeiten und sie konstruktiv und kritisch zu begleiten.

Wolf-Dieter Reinbold warnte vor den Folgen der Digitalisierung. Demnach sei es denk­bar, dass künftig ein Großteil von Kontrolluntersuchungen vom Computer übernommen werden. „Nicht, dass ein Computer nachher unsere Arbeit macht“ und sich Verwal­tungen überlegten, „wie viele Arztstellen damit wieder wegrationalisiert werden können“, sagte der Leitende Arzt der Radiologie des Johannes Wesling Klinikums in Minden.

Die Max-Planck-Institute in Stuttgart und Tübingen seien schon damit beschäftigt eine ent­sprechende künstliche Intelligenz zu entwickeln. „Es gibt heute schon gute Diagnose-Computer“, ergänzte Kammerpräsident Theodor Windhorst. „Da werden wir nur noch zum Zweit­meinungsgeber.“

„Abklärungspauschale ist nicht haltbar“

Ein Problem, das sich nach Ansicht von Windhorst nicht auf die Schnelle lösen lässt, ist die Versorgung von Notfällen. „Aber das man mit der Abklärungspauschale Nicht-Fach­ärz­te bittet, Pateinten abzuklären, wer behandelt wird und wer weggeschickt wird, das ist nicht haltbar“, sagte der Ärztepräsident mit Blick auf die Assistenzärzte, die in den Not­auf­nahmen der Krankenhäuser tätig sind. Fachärzte könnten das ja machen. „Aber ich möchte nicht, dass unsere jungen Ärzte vor die Entscheidung gestellt werden, damit der Krankenhausträger 4,74 Euro absahnen kann.“ Windhorst zufolge handelt es sich bei dem „Kurz-Check“ um eine „Triage unter Zeitdruck“ und eine „Schnellschuss-Diagnostik, die unnötig, unsinnig, unverantwortlich und haf­tungsrechtlich problematisch ist“.

Nicht alle Delegierte lehnen Pauschale ab

Diese Ansicht teilten nicht alle Delegierten. „Ich finde es gut, dass die Ärzte jetzt dieses Instrument haben und zu Patienten sagen können: Sie gehören hier nicht hin“, sagte Han Hendrik Oen vom Hartmannbund. Wenn die Patienten meinten, sie müssten doch ins Krankenhaus, könnten sie ja mit einer Einweisung wiederkommen, betonte der nie­dergelassene Internist.

Klaus Reinhardt warnte hingegen davor, die Abklärungspauschale kritiklos anzunehmen und sich nicht zu wehren. „Nachher bekommt der Hausarzt drei Euro, damit er mal drüber guckt, ob der Patient überhaupt zum Arzt muss“, skizzierte der Bundesvor­sitzende des Hartmannbundes und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, der auch Haus­arzt ist, ein Zukunftsszenario und forderte die Delegierten zum Nachdenken über das auf, was die Pauschale noch alles nach sich ziehen könnte.

Die Delegierten diskutierten teils kontrovers und zeigten damit, wie schwierig es ist, die Patienten in der Notfallversorgung zu steuern. „Wie man das Problem angehen kann, dazu haben wir noch keine Lösung“, brachte es Reinhardt schließlich auf den Punkt. Daher soll sich der „10. Westfälische Ärztetag“ Anfang Juli mit den Herausforderungen der Notfallversorgung in Zeiten knapper Ressourcen befassen.

ts

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