Kardiologen fehlt Evidenz für Therapie multimorbider Herzpatienten

Berlin – Herzpatienten weisen immer mehr Komorbiditäten auf. Allein von den Patienten mit Herzinsuffizienz hat mehr als die Hälfte vier oder mehr Begleiterkrankungen. Doch für die Behandlung multimorbider Patienten fehlt es in der Kardiologie an Evidenz. Darauf wies Nikolaus Marx, Tagungspräsident der 86. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, heute zum Kongressauftakt hin.
„Uns liegen schlicht keine Daten zur optimalen Behandlung multimorbider Patienten vor“, sagte Marx. Denn die großen, randomisiert-kontrollierten Studien, in denen die Evidenz für interventionelle und medikamentöse Therapien bei herzkranken Patienten generiert worden seien, hätten Patienten mit Komorbiditäten und Multimorbidität häufig ausgeschlossen.
In der Folge müssten die Therapieempfehlungen für diese weiterhin wachsende Gruppe von Patienten aus Daten extrapoliert werden, die weitestgehend für Patienten ohne Begleiterkrankungen erhoben worden seien.
Es sei deshalb „von ganz entscheidender Bedeutung“, gezielt klinische Studien durchzuführen, in denen Patienten mit Komorbiditäten und multimorbide Patienten eingeschlossen werden. „Nur so können wir genaues Wissen darüber erlangen, ob die bisher in der Kardiologie erfolgreichen Therapien auch bei unseren Patienten mit Begleiterkrankungen effektiv wirken“, so Marx.
Austausch zwischen den Disziplinen verbessert Behandlung
Bis ausreichende evidenzbasierte Daten auch aus dieser Patientengruppe vorliegen, riet der Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin am Universitätsklinikum Aachen zu einem engen Austausch mit anderen Fachgebieten wie der Nephrologie, Diabetologie und Pneumologie.
„Für uns Ärzte muss das heißen, unbedingt über den Tellerrand der Therapien oder Interventionen aus unserem eigenen Fachgebiet hinauszuschauen“, sagte er. Ein interdisziplinärer Blick auf den Patienten könne enorm weiterhelfen. Denn aus rein kardiologischer Sicht könne unter Umständen der richtige Blickwinkel fehlen, um die Begleiterkrankung in ihrem gesamten Ausmaß einzuschätzen.
Der Tagungspräsident plädierte außerdem für die Schaffung „interdisziplinärer, strukturierter Programme und Versorgungsstrukturen“, die standardisiert implementiert werden sollten, wie es etwa in der Onkologie in Tumorboards geschieht. Voraussetzung für die Etablierung solcher Strukturen sei jedoch, dass Möglichkeiten gefunden würden, diese im Vergütungssystem abzubilden.
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