Ärzteschaft

Kardiologen fehlt Evidenz für Therapie multimorbider Herzpatienten

  • Donnerstag, 15. Oktober 2020
Die Kampagne will insbesondere Erwachsene ab dem Alter von 45 Jahren für das Thema Herzinfarkt sensibiliseren. /picture alliance
/dpa

Berlin – Herzpatienten weisen immer mehr Komorbiditäten auf. Allein von den Patienten mit Herzinsuffizienz hat mehr als die Hälfte vier oder mehr Begleiterkrankungen. Doch für die Behandlung multimorbider Patienten fehlt es in der Kardiologie an Evidenz. Da­rauf wies Nikolaus Marx, Tagungspräsident der 86. Jahrestagung der Deutschen Gesell­schaft für Kardiologie, heute zum Kongressauftakt hin.

„Uns liegen schlicht keine Daten zur optimalen Behandlung multimorbider Patienten vor“, sagte Marx. Denn die großen, randomisiert-kontrollierten Studien, in denen die Evidenz für interventionelle und medikamentöse Therapien bei herzkranken Patienten generiert worden seien, hätten Patienten mit Komorbiditäten und Multimorbidität häufig ausge­schlossen.

In der Folge müssten die Therapieempfehlungen für diese weiterhin wachsende Gruppe von Patienten aus Daten extrapoliert werden, die weitestgehend für Patienten ohne Be­gleiterkrankungen erhoben worden seien.

Es sei deshalb „von ganz entscheidender Bedeutung“, gezielt klinische Studien durchzu­führen, in denen Patienten mit Komorbiditäten und multimorbide Patienten eingeschloss­en werden. „Nur so können wir genaues Wissen darüber erlangen, ob die bisher in der Kar­diologie erfolgreichen Therapien auch bei unseren Patienten mit Begleiterkrankungen effektiv wirken“, so Marx.

Austausch zwischen den Disziplinen verbessert Behandlung

Bis ausreichende evidenzbasierte Daten auch aus dieser Patientengruppe vorliegen, riet der Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin am Universitätsklinikum Aachen zu einem engen Austausch mit anderen Fachgebieten wie der Nephrologie, Diabetologie und Pneumologie.

„Für uns Ärzte muss das heißen, unbedingt über den Tellerrand der Therapien oder In­ter­ventionen aus unserem eigenen Fachgebiet hinauszuschauen“, sagte er. Ein interdiszi­pli­nä­rer Blick auf den Patienten könne enorm weiterhelfen. Denn aus rein kardiologischer Sicht könne unter Umständen der richtige Blickwinkel fehlen, um die Begleiterkrankung in ihrem gesamten Ausmaß einzuschätzen.

Der Tagungspräsident plädierte außerdem für die Schaffung „interdisziplinärer, struktu­rierter Programme und Versorgungsstrukturen“, die standardisiert implementiert werden sollten, wie es etwa in der Onkologie in Tumorboards geschieht. Voraussetzung für die Etablierung solcher Strukturen sei jedoch, dass Möglichkeiten gefunden würden, diese im Vergütungssystem abzubilden.

nec

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