Politik

Karlsruhe lässt Vergabe tödlicher Medikamente offen

  • Dienstag, 30. Juni 2020
/picture alliance, CHROMORANGE, Christian Ohde
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Karlsruhe – Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) lässt die Frage weiter offen, ob Men­schen einen Anspruch gegen den Staat auf die Herausgabe von Medikamenten haben, um sich selbst zu töten. Aus formalen Gründen wies die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungs­ge­richts heute Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse des Verwaltungs­ge­richts Köln vom No­vember zurück.

Die Kammer argumentierte, die Vorlagen gingen nicht auf die am 26. Februar ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Selbsttötung ein, die das bis dahin gel­tende Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe aufhob. Mit diesem Urteil habe sich die Situation für Sterbewillige geändert.

Das Verwaltungsgericht stütze sich maßgeb­lich auf Erwägungen, die nun entfallen seien. Ein Beispiel ist der Paragraf 217 im Strafge­setz­buch, der nach der Karlsruher Entschei­dung vom Februar unvereinbar mit dem Grund­gesetz ist. Viele Fragen stellten sich des­halb heute anders.

Hintergrund der Anfragen des Kölner Verwaltungsgerichts war eine Anweisung von Bun­des­gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Me­dizinprodukte (BfArM), bei dem Anträge auf Abgabe einer tödliche Medikation eingegan­gen waren.

Spahn hatte – trotz eines gegenteiligen Urteils des Bundesverwaltungs­gerichts – ange­ordnet, dass das BfArM keine Anträge auf Erlaubnis zum Erwerb tödlicher Betäubungs­mit­tel bewilligen darf. Entsprechend wies die Behörde bislang mehr als 100 Anträge die­ser Art ab. Spahn blieb auch nach der Entscheidung aus Karlsruhe bei seiner Haltung.

„Es wird Zeit, dass Jens Spahn mit seiner Salamitaktik aufhört und den Streit über die Neu­­regelung des Sterbehilferechts nicht weiter auf dem Rücken der Betroffenen aus­trägt“, kommentierte die Bundestagsabgeordnete und Rechtspolitikerin der FDP, Katrin Helling-Plahr, den Beschluss.

Trotz höchstrichterlichen Urteilen gäbe es immer neue fadenscheinige Gründe, wieso Spahn den Weg für eine Neuregelung noch nicht freigemacht habe. „Wir brauchen endlich ein liberales Sterbehilfegesetz mit einer klaren Regelung, wer unter welcher Vorausset­zun­gen tödlich wirkende Medikamente erhalten darf“, so Helling-Plahr. Man sei es den Betroffenen schuldig, Rechtssicherheit zu schaffen.

Der CDU-Gesundheitspolitiker Alexander Krauß wertete das Urteil als eine Stärkung von Spahns Haltung. „Weder Ärzte noch der Staat können dazu verpflichtet werden, beim Selbstmord mitzuwirken“, sagte Krauß. „Spahn erhält mit dem Urteil volle Rückendeckung für seine Entscheidung, keine todbringenden Arzneimittel abzugeben.“

kna/may

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