KBV-Chef Gassen fordert Anpassung bei vertragsärztlicher Vergütung

Berlin – Die „Mechanik“ der vertragsärztlichen Vergütung bedürfe einer Anpassung, dies sagte heute Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), im Rahmen der KBV-Vertreterversammlung.
Die alljährlichen sogenannten Honorarverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband seien zu „einer Art Scheinritual verkommen“, das für die Vertragsärzteschaft „schwer erträglich“ und Außenstehenden überhaupt nicht mehr vermittelbar sei. Abgesehen von der „konstanten Weigerung“ des GKV-Spitzenverbands, überhaupt ernstzunehmende Angebote vorzulegen und zu verhandeln, seien spätestens in diesem Jahr der Energiekrise und mit über zehn Prozent Inflation die Grenzen dieses „gesetzlich zementierten“ Verfahrens offenkundig geworden.
Deshalb werde eine neue, flexiblere Systematik benötigt, die es ermöglicht, einen Werterhalt der Arbeit in den Praxen sicherzustellen – etwa im Falle einer Inflation oder sonstiger aktueller Kostenentwicklungen. Die aktuelle SGB-V-Regelung mit einem zeitlichen Versatz von einem Jahr oder mehr sei erkennbar aus der Zeit gefallen. Eine andere Systematik werde man „mit Nachdruck“ einfordern. Aus diesem Grund habe die KBV auch Klage gegen die Festsetzung des Orientierungswertes für 2023 eingelegt.
Gassen verwies darauf, dass nicht erst seit der Coronapandemie jedem die immense Bedeutung der haus- und fachärztlichen Versorgung klar sein müsse. So hätten nicht nur eigene Befragungen, sondern selbst die jüngste Versichertenbefragung des GKV-Spitzenverbandes hat eine hohe und gegenüber 2019 noch gestiegene Zufriedenheit der Versicherten mit ihrem zuletzt behandelnden Haus- oder Facharzt ergeben.
Der Wert der wohnortnahen Versorgung von Haus- und Fachärzten sowie Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten werde von der Bundespolitik aber „schlicht ignoriert“. Gefragt sei eine grundsätzlich andere Gesundheitspolitik. „Nämlich eine, die die Praxen unterstützt, statt sie zu behindern und die damit die Versorgung der Menschen sichern würde.“
Akteure wie Krankenhäuser, Pflege und Apotheken würden aber offenbar als wichtiger eingeschätzt, kritisierte der KBV-Vorstandsvorsitzende. Die Gefahr sei, dass die ambulante Versorgung als „selbstverständlich und unkaputtbar“ empfunden wird – das sei sie aber nicht.
Im Gegenteil harrten viele wichtige Themen einer intensiven Befassung. So müsse beispielsweise die Ambulantisierung gestaltet werden. Das KV-System habe dazu eigene Ideen und Konzepte vorgelegt – die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eingesetzte Krankenhausreformkommission trage bislang nicht zu einer Lösung bei.
Wenn man über Ambulantisierung spreche, führe das auch zum Thema ärztliche Weiterbildung und deren Förderung, auch im fachärztlichen und im psychotherapeutischen Bereich. Die Notwendigkeit zur ambulanten Weiterbildung sei „unübersehbar“ – hier müsse dringend mehr getan werden.
Weitere zentrale Zukunftsthemen bilden aus KBV-Sicht die Rolle der Medizinischen Versorgungszentren – und die Auswirkung insbesondere rein kapitalgetriggerter Strukturen auf die Versorgung – sowie die Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen. Natürlich gehöre auch die Digitalisierung im Gesundheitswesen dazu.
In ihrer bisherigen Ausgestaltung stelle die Digitalisierung im Gesundheitswesen „eher ein Mühlstein um den Hals der Ärzte- und Psychotherapeutenschaft als ein Raketenantrieb“ dar.
Am Ende greife alles ineinander: Die Erkenntnis des Stellenwertes der ambulanten Versorgung durch freiberufliche Praxisärztinnen und -ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, eine faire und angemessene Vergütung, attraktive Arbeitsbedingungen und eine für die unmittelbare Versorgung erkennbaren Nutzen bringende Digitalisierung.
„Ich hoffe sehr, dass wir uns im kommenden Jahr jenseits der Pandemie endlich wieder mit voller Kraft und Aufmerksamkeit all diesen Sachthemen zuwenden können“, so Gassen.
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