Kein Notfall: Rechtsgutachten betrachtet Weiterleitung in ambulante Praxen als notwendig

Berlin – Die Notaufnahmen von Krankenhäuser sollten Hilfesuchende gezielt in eine verfügbare und geeignete Praxis weiterleiten, wenn es sich nicht um Notfälle handelt. Zu diesem Ergebnis kommt ein Rechtsgutachten der Universität Bonn, das das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) beauftragt hat.
Den rechtlichen Hintergrund für die Versorgung von Patienten in der Notaufnahme eines Krankenhauses gibt das fünfte Sozialgesetzbuch (SGB V) – insbesondere die Paragrafen 120, Absatz 3b, und der Paragraf 76.
Im Paragrafen 120 geht es um die Einführung eines qualifizierten und standardisierten Verfahrens, mit dem Krankenhausmitarbeiter den medizinischen Versorgungsbedarf von Hilfesuchenden einschätzen können.
Denn laut Paragraf 76 dürfen die Krankenhäuser die Patientenversorgung bei dieser Konstellation nur in Notfällen übernehmen, ansonsten sollen dies Ärztinnen und Ärzte aus der vertragsärztlichen Versorgung tun.
Die Details dazu sollte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bis Mitte vergangenen Jahres in einer Richtlinie klären – was dieser auch getan hat. Allerdings hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) diese Richtlinie beanstandet. Sie ist daher nicht in Kraft getreten.
Vor diesem Hintergrund hat das Zi den Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn, Raimund Waltermann, gebeten, den haftungsrechtlichen Rahmen für eine Steuerung der Hilfesuchenden zu prüfen.
Das Rechtsgutachten kommt zu dem Schluss, dass Hilfesuchende – auch ohne gültige G-BA-Richtline – nur in medizinischen Notfällen von einer Klinik behandelt werden dürfen. Liegt kein Notfall vor, müssen die jeweiligen Hilfesuchenden in die ambulante Versorgung weitergeleitet werden. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Ersteinschätzung, um zu entscheiden, ob es sich um einen Notfall handelt.
„Wird die medizinische Ersteinschätzung durch geschulte Sichtungskräfte vorgenommen, ist aus der Perspektive des Haftungsrechts eine zusätzliche ärztliche Prüfung prinzipiell nicht erforderlich. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Fachpersonal nach einem strukturierten Verfahren vorgeht, das geeignet ist, die Hilfesuchenden im Hinblick auf Dringlichkeit und Versorgungsebene einzuordnen“, informiert das Zi. Haftungsrechtlich entlastet seien die Kliniken insbesondere dann, wenn zur Unterstützung des Fachpersonals eine Software eingesetzt werde, die als Medizinprodukt zertifiziert sei.
„Mehr als 800 Bereitschaftsdienstpraxen, telefonische Ersteinschätzung und Terminvermittlung oder telefonische ärztliche Beratung unter der Rufnummer 116117 sind bereits heute Versorgungswirklichkeit. In der telefonischen Ersteinschätzung und Patientensteuerung haben wir bereits millionenfache Erfahrung“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dominik von Stillfried.
Er betonte, es sei wichtig, alle Möglichkeiten einer effizienten Arbeitsteilung zwischen Kliniken und Praxen zu nutzen. Nicht lebensbedrohliche, aber akut behandlungsbedürftige Fälle könnten meist adäquater in einer vertragsärztlichen Praxis behandelt werden. Zugleich könnten Kliniken sich auf Notfälle konzentrieren.
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