Kelber: Niedriges technisches Niveau gefährdet Datenschutz

Berlin – Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationssicherheit (BfDI), Ulrich Kelber, sieht den Datenschutz im deutschen Gesundheitswesen insbesondere wegen mangelndem technischen Entwicklungsniveau gefährdet. Das erklärte er gestern Abend bei einer Gesprächsrunde in Berlin.
„Ich mache mir in Deutschland oft mehr Sorgen über die Unterdigitalisierung, die dazu führt, dass wir Programme mit Datenschutzcrashs einführen“, erklärte er in einer Veranstaltung der Wochenzeitung Die Zeit zu Künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin.
Kelber wehrte sich damit auch gegen häufig angebrachte Vorwürfe, das rigide Datenschutzverständnis und die damit verbundene strikte Auslegung der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sei der Hauptgrund für den Rückstand Deutschlands bei der Digitalisierung.
Er glaube, ganz im Gegenteil, an „fantastische Chancen“, die die Anwendung neuer KI-basierter Programme vor allem in der Diagnose und Arzneimittelentwicklung habe. Dabei setze er insbesondere auf das Konzept föderaler KI, bei der die Datenbestände lokal gespeichert werden und Algorithmen mit Zugriff auf diese dezentralen Datenbestände trainiert werden.
„Mit dieser Technik können wir es so machen, dass wir gleichzeitig Datenschutz und Fortschritt haben“, sagte Kelber. „Ich möchte am liebsten, dass ein kleines KI-Programm auf meiner Smartwatch Daten speichert und analysiert – nicht, dass Google oder Apple meine Daten auf einen großen Haufen werfen. Denn das tun sie.“
Allerdings müssten auch Datenschützer dabei Kompromisse eingehen, betonte demgegenüber Susanne Ozegowski, Abteilungsleiterin Digitalisierung und Innovation im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Das gelte insbesondere bei der Anonymisierung von Daten.
„Wir werden immer Situationen haben, in denen wir eine Abwägung durchführen müssen zwischen Datenschutz und dem Potenzial, das verloren geht, wenn ich diese Daten nicht nutze“, erklärte sie. Das gelte insbesondere dann, wenn Datensätze so vergröbert werden müssen, dass die Daten an Qualität verlieren. In der Krebsforschung beispielsweise müsse man überlegen, ob das Datenschutzniveau mit Zustimmung der Patienten abgesenkt werden kann.
Doch Kelber hat mit dieser Zustimmung der Patienten seine Schwierigkeiten, wie er betonte – und womit er sich auf ein Wortgefecht mit Gottfried Ludewig, Senior Vice President Health Industry bei T-Systems und Ozegowskis Vorgänger, einließ.
So müsse jede Einwilligung eines Patienten mündig und informiert erfolgen – was aber kaum gewährleistet werden könne. „Selbst Fachleute können oft nicht einschätzen, was mit den Daten irgendwann geschieht“, betonte er. Ludewig sieht darin keinen validen Einwand. In anderen Bereichen könne man als mündiger Bürger schließlich auch Entscheidungen treffen, die man nicht bis in die letzte Instanz überblicken kann.
Weitgehend einig waren sich beide hingegen in der Problemanalyse hinsichtlich der Rechtslage: Es mangele an Rechtssicherheit. Er sehe nicht nur bei Unternehmen, sondern auch bei Wissenschaftlern, beispielsweise in Universitätskliniken, sehr viel Unsicherheit über Zulässigkeit der Nutzung verschiedener Daten und deren ausreichende Anonymisierung.
„Es ist ein großes Problem, dass Rechtssicherheit oft Rechtsunsicherheit ist“, sagte Ludewig. „Ich habe nicht den Eindruck, dass es wir es mit dem Datenschutz übertreiben, sondern dass wir es untertreiben mit der Klarheit, was erlaubt ist und was nicht.“ Datenschutzbehörden müssten deshalb stärker im Vornherein und allgemein nachvollziehbar definieren, was zulässig ist und was nicht.
„Ich glaube, Rechtssicherheit ist ein ganz wichtiger Aspekt, damit wir vorankommen“, erklärte auch Ozegowski. Das sei eines der zentralen Ziele des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes, das im nächsten Jahr kommen soll.
Das könnte auch die Rolle und die Zuständigkeiten Kelbers und seiner Kolleginnen und Kollegen auf Landesebene im Bereich von Gesundheitsdaten anpassen. Eine ähnliche Auffassung hatte jüngst auch Gematik-CEO Markus Leyck Dieken geäußert.
Kelber wiederum machte klar, wo er besonderen Handlungsbedarf sieht: Neben gesetzlichen Grundlagen für Gesundheitsdatenregister brauche es endlich effektive Schutzmechanismen, wie eine Strafbewährung von Reidentifizierungsversuchen bei anonymisierten Daten.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: