KI in der Medizin: Mehr positive Geschichten erzählen

München – Die Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin wird Ärzte nicht überflüssig machen. Dessen ist sich Felix Balzer, Direktor des Instituts für Medizinische Informatik und Chief Medical Officer an der Berliner Charité, sicher.
In der Vergangenheit hätten neue Errungenschaften wie Dialyse, Röntgen, Ultraschall und MRT die Ärzteschaft nicht ersetzt, erklärte er gestern Abend bei einer Diskussionsrunde der Apobank, die im Rahmen des Europäischen Gesundheitskongresses stattfand. Die Errungenschaften hätten sogar im Gegenteil die Arbeit der Ärztinnen und Ärzte stetig verbessert, trotzdem gebe es hierzu immer wieder negative Schlagzeilen.
Auch Herbert Rebscher vom Institut für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung (IGV) findet, dass weniger Horrorszenarios über mögliche Verwendungen von KI verbreitet werden sollten. Stattdessen brauche es mehr positive Geschichten. „Wir wollen doch Menschen dafür gewinnen, die elektronische Patientenakte zu nutzen und dafür müssen wir positive Beispiele erzählen“, so Rebscher.
Gerade im Bereich Bildgebung oder virtueller digitaler Assistenzsysteme werde in den kommenden Jahren ein deutlicher Anstieg an Anwendungen erwartet, so Balzer. Diese seien vielversprechend, sind beispielsweise oft deutlich schneller bei der Erstellung von Bestrahlungsplänen oder sicherer bei der Analyse von Laborwerten und Röntgen- oder MRT-Bildern.
Dabei sei dies nicht nur eine optionale Technologie: „Wenn KI besser auswerten kann als das menschliche Auge, dann bin ich doch verpflichtet, das in meinem Berufsleben mitaufzunehmen und zu nutzen“, sagte Anke Diehl, Leiterin der Stabstelle für digitale Transformation an der Universitätsmedizin Essen. „Wir brauchen personalisierte Präzisionstherapie und müssen weg vom Gießkannenprinzip, um künftig gezielter therapieren zu können“, so Diehl weiter.
Probleme etwa noch bei Interoperabilität und Datenschutz
Allerdings gebe es auch Herausforderungen beim Umgang mit KI, vor allem hinsichtlich des Datenschutzes, der Interoperabilität von verschiedenen Systemen oder auch der Nutzerorientierung und der Handhabbarkeit in der ärztlichen Praxis, erklärte Balzer.
Auch Diehl sieht die mangelnde Interoperabilität als Kernproblem für künftige KI-Systeme. „Wir brauchen viel mehr offene Schnittstellen und durchgängige Formate, beispielsweise die Telematikinfrastruktur die auf FHIR setzt.“ Daten hier besser zusammenzuführen sei auch eng mit der Nutzerorientierung verbunden. Wenn es etwa alleine 5 verschiedene Geburtsdatumsformate gibt, ergebe dies gar keinen Sinn, so Diehl.
Problematisch sei weiter, dass heute Patientinnen und Patienten in die Arztpraxis mit ihren Fitnesstrackern und Wearables kommen und bereits gesammelte Daten vorzeigen würden, sagte Balzer. „Sie erwarten, dass diese auch eingelesen und genutzt werden können. Das können wir aber heute noch nicht“. Er ist deshalb auch überzeugt, dass sich Patienten künftig für eine Behandlung eher eine Klinik aussuchen werde, die etwa digitale Services anbietet.
Auch Diehl betonte, dass es nicht sein könne, dass sich Patienten in medizinische Behandlungen begeben und „im Mittelalter“ landen würden. Es gebe leider immer noch viel zu viele Bereiche in der Medizin, in denen nichts digital ablaufe.
Sie beobachte allerdings einen Kulturwandel, den die Ärzteschaft verkraften müsste. Das hierarchische System in der Medizin verändere sich zunehmend. Patientinnen und Patienten seien informierter, hätten heutzutage einen anderen Anspruch und würden vorzugsweise über eine Chat-Funktion oder einen Videocall kommunizieren wollen.
KI-Beirat am Krankenhaus um Anschluss an Realität nicht zu verlieren
An der Universitätsmedizin Essen gebe es etwa einen Beirat für Digitalisierung und KI, der ähnlich wie ein Patientenbeirat funktioniert, erklärte Diehl. In diesem sitzen Diehl zufolge Bürger aus Essen und Umgebung.
Darunter seien Personen zwischen 20 und 70 Jahren, mit verschiedenen Geschlechtern und Migrationshintergrund oder Körperbehinderungen. „Wir wollen uns hier Feedback einholen, um das richtig zu machen und nicht in unserer Blase zu sitzen.“ Sie sei sich aber bewusst, dass sich diese Form der Einbindung nicht jedes Krankenhaus leisten könne.
Es dürfe weiter nicht der Fehler gemacht werden, nur über KI-Anwendungen im ärztlichen Behandlungskontext zu sprechen, betonte Balzer. Diese Anwendungen kämen auch insbesondere für Patienten und Angehörige infrage, um etwa mögliche Symptome abzuklären und zu checken, ob man damit zum Arzt oder sogar in die Notaufnahme müsse.
Zudem sollten Patienten erst gar nicht ins Krankenhaus gelangen, findet Diehl. KI sollte vor allem für Präventivmedizin genutzt werden, um vor dem Ausbruch einer Erkrankung bereits einzugreifen zu können, damit diese erst gar nicht entstehen könne.
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