Ärzteschaft

Kinder- und Jugendärzte erneuern Forderung nach umfassender Impfpflicht

  • Freitag, 14. Juni 2019
Arzt macht einen Eintrag im Impfausweis. /Alexander Raths, stockadobecom
/Alexander Raths, stockadobecom

Berlin – Dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) gehen die Pläne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), eine Impfpflicht gegen Masern einzuführen, nicht weit genug. Wünschenswert sei vielmehr eine Impfpflicht gegen alle von der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut empfohlenen Impfun­gen, sagte BVKJ-Präsident Thomas Fischbach heute in Berlin.

Dazu gehörten unter anderem Tetanus, Diphterie, Keuchhusten, Masern, Mumps oder Röteln. Fischbach sprach im Vorfeld der Eröffnung des 49. Kinder- und Jugendärzte­tages, der sich mit dem Schwerpunktthema „Entwicklung“ beschäftigt.

Alle Impfaufklärung und -appelle der vergangenen Jahre hätten nicht dazu geführt, dass mindestens 95 Prozent der Bevölkerung über eine ausreichende Immunität bei­spielsweise gegen die Masern verfüge und damit ein sogenannter Herdenschutz aus­gebildet werde, mit dem man die Erkrankung eliminieren könne, erklärte Fischbach.

Schuld daran seien jedoch nicht in erster Linie Impfgegner, sondern die Nachlässigkeit von Eltern und jungen Erwachsenen, die Impftermine „verbummelten“. Der BVKJ-Prä­sident wies erneut auf die zum Teil dramatischen Folgen einer Masernerkrankung hin. Von rund 1.500 Masernerkrankten entwickle einer eine Enzephalitis. Ein Drittel dieser Patienten sterbe, ein weiteres Drittel trage schwere Behinderungen davon. Die Kinder- und Jugendärzte setzten sich deshalb schon seit Jahren für eine Impfpflicht ein.

„Eine Impfpflicht muss es auch für die Gesundheitsberufe geben“, sagte Fischbach. Auch dort gebe es Lücken. „Wir müssen auch vor der eigenen Türe kehren“, so der BVKJ-Präsident. Dabei müsse eine Impfpflicht eingebettet sein in ein nationales Ge­samt­konzept, das Information und Aufklärung, ein nationales Impfregister und die Etablierung von Erinnerungssystemen umfasse.

Lebensmittelkennzeichnung und Zuckersteuer gegen Adipositas

Während die Kinderärzte die Anstrengungen von Gesundheitsminister Spahn beim Thema Impfen im Grundsatz lobten, kritisierten sie Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) heftig.

Die „Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie“ für weniger Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten reiche nicht aus, um die Zunahme von Übergewicht und Adi­positas bei Kindern und Jugendlichen einzudämmen. Das Konzept basiere auf einer reinen Selbstverpflichtung der Nahrungsmittelindustrie und solle erst 2025 wirksam werden.

„Das reicht uns nicht“, sagte Fischbach. Er forderte stattdessen eine einfache Kenn­zeich­nung der Lebensmittelinhaltsstoffe auf der Packungsvorder­seite, ein Verbot für den Verkauf von zuckerhaltigen Getränken an Schulen sowie eine Verteuerung von Softdrinks.

Der 49. Kinder- und Jugendärztetag, der noch bis Sonntag in Berlin stattfindet, wird sich unter anderem auch damit beschäftigen, wie sich die Nutzung von Handy, Tablet, PC und Fernseher auf die kindliche Entwicklung auswirkt.

Die neuen Medien böten viele Chancen, aber auch viele Möglichkeiten für Fehlent­wick­lung, Überforderung und Ausgrenzung, erklärte der wissenschaftliche Leiter des Kongresses, Klaus-Michael Keller. So rate beispielsweise die American Academy of Pediatrics davon ab, dass Kinder unter zwei Jahren elektronische Medien nutzen.

Die Folgen exzessiven Medienkonsums könnten schwerwiegend sein, so Keller. Sie reichten von Verzögerun­gen in der motorischen oder sprachlichen Entwicklung bis hin zum Verlust von Empathie, einer Störung der Beziehungsfähigkeit und ADHS. „Stu­dien zu positiven Effekten der Mediennutzung sind oft aus der Tasche der Großkon­zerne finanziert, die die untersuchten Produkte verkaufen“, warnte Keller.

Weitere Themen auf dem Kinder- und Jugendärztetag sind die Folgen der Schadstoff­belastung für die Entwicklung von Kindern sowie, mit Blick auf die jüngsten Flücht­lings­ströme, die Auswirkungen von Migration auf die Sozialisation von Kindern.

HK

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