Ärzteschaft

Kinderärzte halten Ethikratvotum zu Masernimpfungen für wirklichkeitsfremd

  • Montag, 1. Juli 2019

Berlin/Köln – In der Debatte über eine Impfpflicht gegen Masern haben sich Kinder- und Jugendärzte gegen eine Stellungnahme des Deutschen Ethikrates gewendet. Dieser hatte sich am vergangenen Donnerstag gegen eine allgemeine gesetzliche Impfpflicht aus­gesprochen. Zugleich hieß es aber von dem Gremium, es gebe eine moralische Pflicht, sich und die eigenen Kinder gegen Masern impfen zu lassen.

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) betonte vorgestern, die Stellung­nah­me des Ethikrats gebe der De­batte zwar „wertvolle Impulse“, berücksich­tige aber nicht die „Realität in der Praxis“. Ohne eine rechtlich verbindliche Impfpflicht könnten Ma­sern in Deutschland nicht ausgerottet werden.

„Der Ethikrat erkennt an, dass Kinder – und auch ungeimpfte Erwachsene – gegen Krankheiten geimpft werden sollten, die damit eingedämmt oder sogar ausgerottet werden können“, sagte BVKJ-Präsident Thomas Fischbach. Er weise auch darauf hin, dass jeder Mensch die moralische Pflicht habe, sich solidarisch zu verhalten mit de­nen, die sich aus medizinischen Gründen nicht selbst per Impfung schützen könnten. „Doch die moralische Pflicht anzuerkennen und die rechtliche Pflicht abzulehnen, das halten wir für wirklichkeitsfremd“, monierte Fischbach.

In den vergangenen Jahren habe die Politik viel dafür getan, die Durchimpfungsraten zu erhöhen. „Wir Kinder- und Jugendärzte verwenden einen großen Teil unserer Ar­beitszeit darauf, Eltern umfassend und wissenschaftlich fundiert über die Risiken und den Nutzen von Impfungen aufzuklären, Impfbücher zu kontrollieren und an aussteh­ende Impfungen zu erinnern.“

Viele Eltern kämen aber erst gar nicht in die Praxen und könnten nicht erreicht wer­den. Manche ließen den Kindern nicht die Zweitimpfung ge­ben. „An fehlender Niedrig­schwelligkeit liegt dies nicht, sondern meist an Vergesslichkeit und Nachlässigkeit“, sagte Fischbach.

Der Verband fordere daher, dass es eine allgemeine Impfpflicht so wie eine allge­mei­ne Schulpflicht „zum Wohle der Kinder und der ganzen Gesellschaft“ geben solle. „Wie man die Impfpflicht gegen Masern dann wirksam durchsetzt, darüber muss die Politik entscheiden. Aber das Beispiel Schulpflicht zeigt, dass es möglich ist.“

Der Ethikrat hatte erklärt, die Impfpflicht für Kinder in Kitas und Schulen sei wegen der hohen Impfquoten in diesen Altersgruppen nicht gerechtfertigt. Grundsätzlich sei es keine reine Privatangelegenheit, ob man sich gegen eine hochansteckende Infektions­krankheit impfen lasse. Angesichts einer solchen „moralischen Pflicht“ sei aber zu prüfen, für wen auch eine Rechtspflicht erforderlich sei.

Nach dem Plan von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) soll eine Impf­pflicht gegen Masern ab März 2020 für Kinder und das Personal in Kitas und Schulen kommen, außerdem für Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen.

dpa/kna

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