Ausland

Klimagipfel endet nach Verlängerung mit Streit

  • Montag, 25. November 2024
/picture alliance, AP, Rafiq Maqbool
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Baku – Die Weltklimakonferenz in Aserbaidschan hat sich nach erbittertem Streit auf ein neues Finanzziel für Klima­hilfen an ärmere Länder geeinigt. Beim Klimaschutz gelang dagegen kein Fortschritt, trotz zweiwöchiger Beratungen und nochmals 32 Stunden Verlängerung.

Außenministerin Annalena Baerbock lobte die Beschlüsse in Baku dennoch als wichtiges Signal in einer schwieri­gen geopolitischen Lage. Nun seien aber alle Wirtschaftsnationen der Welt gefragt, um „eine halbwegs verläss­liche Lebensversicherung für die Ärmsten“ auf die Beine zu stellen. „Das kann Europa nicht alleine leisten“, sagte sie - auch mit Blick auf China und die reichen Golfstaaten, die bisher beiseitestehen.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat kommentierte: „Nicht perfekt, aber damit können wir weiterarbeiten: Die Beschlüsse von Baku unterstützen Entwicklungsländer beim Klimaschutz“, schrieb der SPD-Politiker auf der Plattform X. „Wir müssen gemeinsam und weltweit unsere Anstrengungen erhöhen. Deutschlands Beitrag zum internationalen Klimaschutz bleibt wichtig.“

UN-Generalsekretär António Guterres erwartet, dass die rund 200 Staaten ihr Versprechen nun „vollständig und fristgerecht“ einlösen.

Das neue Kernziel zur Klimafinanzierung, bei dem die Industriestaaten vorangehen sollen, beträgt jährlich 300 Milliarden US-Dollar bis 2035. Als Gesamtziel werden sogar mindestens 1,3 Billionen US-Dollar (aktuell rund 1,25 Billionen Euro) angestrebt, hier sind aber viele Kredite und private Investitionen eingerechnet.

Außerdem sollen weitere Geberländer ermuntert werden, sich freiwillig zu beteiligen. Der Appell ist so weit gefasst, dass Klimaschützer kritisieren, niemand sei konkret für diesen Teil des Finanzziels verantwortlich. Zu konkreten Zahlungen in bestimmter Höhe wird Deutschland, das jährlich rund sechs Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt bereitstellt, mit dem Beschluss genauso wenig verpflichtet wie alle anderen Staaten.

Bisher mobilisieren die klassischen Industriestaaten jährlich gut 100 Milliarden US-Dollar an Klimahilfen. Doch liegt der Bedarf an externer Hilfe inzwischen laut einer unabhängigen UN-Expertengruppe bei rund einer Billion US-Dollar pro Jahr bis 2030 und sogar 1,3 Billionen bis 2035.

Wut und Frust über die Beschlüsse

Mit dem Geld sollen Entwicklungsländer mehr Klimaschutz bezahlen und sich an die fatalen Folgen der Erder­wärmung anpassen können. Beispiele sind etwa heftigere und häufigere Dürren, Stürme und Überschwemmun­gen, die Millionen Menschen leiden lassen und teilweise auch zur Flucht ins Ausland zwingen.

EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra sagte, die Konferenz läute „eine neue Ära der Klimafinanzierung“ ein. Die Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder sieht das anders: „Das ist nicht nur ein Scheitern, das ist ein Betrug“, hieß es von den Ländern, von denen viele in Afrika, Asien oder der Karibik liegen.

Ihre Wut wurde schon in der Nacht spürbar, nachdem der aserbaidschanische Konferenz-Chef den Kompromiss durchgehämmert hatte – Beschlüsse auf Klimakonferenz werden traditionell mit einem Hammerschlag des Gastgebers besiegelt.

Die Vertreterin Nigerias bezeichnete die 300 Milliarden unter Applaus aus Teilen des Saals als „Witz“ und „Belei­digung“. Ein Vertreter Boliviens beklagte, die Entwicklungsstaaten würden mit ihrem Leid in der Klimakrise alleingelassen. Es breche eine Ära an, in der jeder nur seine eigene Haut retten wolle.

Saudi-Arabien stand auf der Bremse

Feierte die Welt vor nicht einmal einem Jahr in Dubai die gemeinsame Abkehr von Kohle, Öl und Gas als histo­risch, gelingt es knapp ein Jahr später nicht einmal mehr, diese Formulierung zu wiederholen.

Insbesondere Saudi-Arabien stemmte sich Verhandlern zufolge vehement dagegen. Letztlich wurden Formulie­run­gen so weit abgeschwächt, dass nicht mehr alle zustimmen wollten. Die angepeilten Beschlüsse zum Klima­schutz wurde nach Widerstand im Plenum in letzter Minute ins kommende Jahr vertagt.

Zwischenzeitlich stand in Baku auch ein Scheitern im Raum: Baerbock und viele andere kritisierten die chao­tische Führung Aserbaidschans.

Die Organisatoren aus dem Petrostaat, dessen Exporterlöse zu 90 Prozent aus Öl und Gas kommen, lobten sich hingegen selbst: Trotz „geopolitischem Gegenwind“ habe man sich durchweg alle Mühe gegeben, „ein ehrlicher Makler“ für alle Seiten zu sein.

Klimaforscher: Emissionen trotz Klimakonferenzen „explodiert“

War die Konferenz zum Scheitern verurteilt? Prominente Stimmen stellen mittlerweile den ganzen Prozess der jährlichen Klimakonferenzen infrage: „Wir haben 28 Konferenzen hinter uns und die Emissionen sind explodiert. Die COP ist ein Spektakel, das dem Klima bisher nichts gebracht hat“, sagte Klimaforscher Mojib Latif der Rheinischen Post.

Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) zeigt sich enttäuscht über den Klimagipfel von Baku und schlägt kleinere Verhandlungsrunden vor. „Der Klimagipfel von Baku war kein Erfolg, sondern allenfalls die Ver­meidung eines diplomatischen Desasters“, teilte PIK-Direktor Ottmar Edenhofer nach dem Ende der sogenannten COP mit.

„Es ist jetzt überdeutlich, dass wir für den globalen Kampf gegen die Klimakrise ergänzende Verhandlungsfor­ma­te brauchen. Damit es vorangeht, müssen nicht zwangsläufig alle fast 200 Unterzeichnerstaaten der UN-Klima­rahmenkonvention an einem Tisch sitzen.“

Edenhofer rief die Geberstaaten im reichen globalen Norden dazu auf, Geld für ärmere Länder durch eine Be­preisung von Öl, Kohle und Gas zu mobilisieren. Das Geld solle idealerweise nur fließen, wenn das Empfängerland nachweislich den Treibhausgas-Ausstoß verringert.

Co-PIK-Direktor Johan Rockström geht nicht davon aus, dass das gesetzte Finanzziel erreicht wird. „Zu wenig, zu spät, aus zu vielen Quellen“, teilte Rockström mit. „Um die Klimakrise zu bewältigen, müssen wir die gesamte Weltwirtschaft von einem auf fossilen Brennstoffen basierenden Wachstum abbringen. Private Finanzierung ist notwendig, und zwar deutlich über die wichtige öffentliche Klimafinanzierung hinaus.“

Die Initiatorin von Fridays for Future und einstige Ikone der Klima-Bewegung, Greta Thunberg, hat keine Hoff­nun­gen mehr in den Prozess: Er baue „auf einem System der Ungerechtigkeit“ auf und opfere aktuelle sowie künftige Generationen zugunsten von Profiten, schrieb sie auf X.

Diesmal stand die Klimakonferenz von Anfang an unter dem Schatten des Wahlsiegs von Donald Trump in den USA. Es wird erwartet, dass die Vereinigten Staaten erneut aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen und sich damit praktisch von jeglichen Ambitionen für den Klimaschutz verabschieden könnten.

Der scheidende US-Präsident Joe Biden bezeichnete den Beschluss in Baku als „historische“ Errungenschaft und sagte: „Mögen manche auch versuchen, die in den USA und weltweit laufende Revolution sauberer Energien zu leugnen oder zu verzögern: Niemand kann sie rückgängig machen – niemand.“

dpa/afp

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