Ärzteschaft

Klinik Kodex: Internisten prangern Ökonomisierungsdruck an

  • Dienstag, 19. September 2017
/Mediteraneo, stock.adobe.com
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Berlin – Ein Zeichen gegen die zunehmende Ökonomisierung des Gesundheitswesens will die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) mit dem neuen Klinik-Kodex „Medizin vor Ökonomie“ setzen, den sie heute in Berlin vorstellte. „Er ist ein pragmatischer Ansatz zur Unterstützung aller Ärztinnen und Ärzte, die sich verpflich­ten, ihr ärztliches Handeln stets am Wohl des Patienten auszurichten – mit absolutem Vorrang gegenüber ökonomischen Überlegungen“, sagte Petra Maria Schumm-Draeger, stellvertretende Vorsitzende der DGIM und wesentliche Initiatorin des Kodex.

Vertrauen der Patienten stärken

Ziel sei es, den Kodex allen Funktionsträgern im Gesundheitswesen zugänglich zu machen und mit ihm das Vertrauen von Patienten und Bevölkerung in eine werte­orientierte Medizin und Ärzteschaft zu stärken.  „Wachsender Kostendruck und ökono­misch orientierte Zielvorgaben im Klinikbetrieb behindern den ureigenen Auftrag von Ärzten, dem Wohl aller Patienten nach bestem ärztlichen Wissen zu dienen und jedem eine leitliniengerechte und fürsorgliche Medizin sowie solidarische Hilfe zukommen zu lassen“, beklagte Schumm-Draeger.

Seit Jahren prangere die DGIM – unter anderem mit dem Choosing-wisely-Ansatz – an, dass wirtschaftliche Fehlanreize zu einer Überversorgung in gut bezahlten Domänen, etwa der Gerätemedizin mit MRT, CT oder Röntgen führten und gleichzeitig die Unterversorgung in der nicht ausreichend vergüteten sprechenden Medizin zur Folge hätten, betonte Ulrich R. Fölsch, Generalsekretär der DGIM aus Kiel. Besonders stark betroffen seien die Behandlung betreuungsintensiver Volkskrankheiten wie Diabetes oder Rheuma. „Jetzt ist die Situation jedoch untragbar geworden“, erklärte Fölsch.

Einige Stationen, die sich hauptsächlich mit der „sprechenden“ Inneren Medizin beschäftigen, seien in den letzten Jahren an den Kliniken bereits aus ökonomischen Gründen geschlossen worden, bedauerte Dirk Müller-Wieland, Präsident der Deutschen Diabetes-Gesellschaft. „Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die ‚sprechende Medizin’ wirtschaftlich besser abgebildet wird“, sagte er. Der Klinik-Kodex sei ein weiterer Vorstoß der DGIM, um Ärzte und Patienten vor der Entwicklung hin zur ökonomisch geleiteten Medizin zu schützen.

„Klinikärztinnen und -ärzte müssen im klinischen Arbeitsalltag zum Teil viel Zeit und Kraft in Rechtfertigungen und Begründungen investieren, warum sie sich im Sinne ihrer Patienten entscheiden“, erläuterte Schumm-Draeger. Der neue Klinik-Kodex soll ihnen einen „Rückhalt“ bieten, damit sie sich wieder auf ihr ärztliches Handeln konzentrieren könnten.

Besonders für die jungen Ärzte sei ein solches Leitbild notwendig, erklärte Matthias Raspe, Arzt in Weiterbildung. „Die unreflektierte Übernahme ökonomischer Begriff­lichkeiten in den ärztlichen Sprachgebrauch sind eine Gefahr für unser ärztliches Grundverständnis“, sagte er. Sie könnten über eine schleichende Übernahme ökono­mischen Denkens letztlich das ärztliche Handeln verändern, warnte er. „Wir entfernen uns immer mehr von unserer Profession.“

ER

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