Koalitionsverhandlungen: SPD-Expertin warnt eigene Partei

Berlin – Mitten in den strittigen Koalitionsgesprächen zur Gesundheitspolitik hat die ehemalige gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Hilde Mattheis, ihre Partei davor gewarnt, gesetzlich Versicherte „mit einer verkürzten Reform zu belasten.“ Mattheis, die zu den linken Vertretern in ihrer Partei gehört und als Verfechterin einer Bürgerversicherung gilt, erklärte in einer Mitteilung: „Die Bürgerversicherung ist ein Gesamtkonzept mit vielen Schritten. Eine Einigung, die sich einzig und allein auf die Angleichung der Honorarordnungen beschränkt, halte ich für gefährlich.“ Sie mahnte, die Warnungen des GKV-Spitzenverbandes „sehr ernst“ zu nehmen, damit eine mögliche Reform „in keinem Fall zu Beitragssteigerungen zulasten der gesetzlich Versicherten führen darf.“
Der GKV-Spitzenverband hatte vergangene Woche vor einer deutlichen Beitragssteigerung gewarnt: „Wenn einheitliche Honorierung bedeutet, dass die gesetzlichen Krankenkassen mehr bezahlen und die privaten Krankenversicherungen weniger, dann lehnen wir das ab“, so Johann-Magnus von Stackelberg zur Bild-Zeitung.
Im Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt hatte Gesundheitsökonom Jürgen Wasem ebenso vor Unwuchten im System gewarnt: „Aus meiner Sicht wird es bei der Harmonisierung der Systeme kompliziert, wenn man mehr als nur ein gemeinsames Gebührenverzeichnis machen möchte“, so Wasem. „Dass die GKV nun GOÄ-Preise bezahlt, würde 45 Milliarden Euro Mehrausgaben bedeuten, das wären vier Beitragspunkte mehr und damit unbezahlbar“, erklärt er. „Würde man GOÄ-Bewertungen auf GKV-Niveau absenken, würde das nach unseren Zahlen bedeuten, dass man zwischen vier und fünf Milliarden Euro aus der ärztlichen Versorgung abzieht.“
In der Pressemitteilung ermahnte Mattheis ihre Partei auch bei der Kommunikation zum Thema Bürgerversicherung. „Die Bürgerversicherung gleicht einer Gipfelbesteigung, viele Schritte sind notwendig“, so die Gesundheitspolitik-Expertin. „Die Öffnung der GKV für Beamte ist hier genauso wichtig wie einheitliche Ärztehonorare. Ich halte nichts davon, einen Schritt zu gehen und dann zu behaupten, die SPD wäre schon am Ziel und die Bürgerversicherung eingeführt“, so Mattheis weiter.
Am heutigen Dienstag sollen die Koalitionsverhandlungen in die Schlussrunde gehen. Laut Medienberichten soll gegen 16 Uhr die 91 Unterhändler der drei Parteien zusammenkommen. Möglicherweise aber auch erst gegen 23 Uhr. Am Nachmittag werden die Untergruppen für Arbeitsrecht sowie Gesundheitspolitik noch einmal beraten. Dem Vernehmen nach soll der neue Koalitionsvertrag relativ kleinteilig ausgearbeitet werden und mindestens 200 Seiten umfassen. Der Koalitionsvertrag von 2013 war 185 Seiten lang.
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