Kopfschmerz: Neue EU-Leitlinie zum Medikamentenübergebrauch
Berlin – Die European Academy of Neurology (EAN) hat eine Leitlinie zum Management von Kopfschmerzen durch Medikamentenübergebrauch („medication-overuse headache“, MOH) herausgegeben. Die Leitlinie ist im European Journal of Neurology erschienen (DOI: 10.1111/ene.14268).
MOH-Kopfschmerzen treten geschätzt bei rund einem Prozent der Bevölkerung und bei 70 Prozent aller Patienten mit chronischen Kopfschmerzen auf. Den Leitlinienautoren zufolge liegt eine MOH vor, wenn an mehr als 15 Tagen pro Monat Kopfschmerzen auftreten und diese über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten mit einem oder mehreren Schmerzmedikamenten behandelt werden.
Für Triptane ist die Einnahme an mehr als zehn Tagen im Monat zur Diagnosestellung Voraussetzung. Besonders gefährdet für einen MOH sind Patienten, die an einer weiteren Schmerzerkrankung leiden. Häufige Begleiterkrankungen sind Angsterkrankung und Depression.
Die wichtigste Präventionsmaßnahme ist nach Ansicht der Autoren Patientenaufklärung. Information und Edukation könnten maßgeblich dazu beitragen, dem MOH bei Migränepatienten vorzubeugen. Die Leitlinie empfiehlt darüber hinaus, dass MOH-Risikopatienten alle drei bis sechs Monate vom Allgemeinmediziner oder Neurologen gesehen werden sollen.
„Wir wissen, dass Patienten seltener einen MOH entwickeln, die umfassend über den Zusammenhang von Schmerzmitteln und Schmerzmittelübergebrauchskopfschmerz informiert wurden, und es gibt Studien, die zeigen, dass ein Beratungsgespräch plus Print-Informationsmaterial um einiges effektiver ist als das Informationsmaterial allein“, erläuterte Hans-Christoph Diener, der die Arbeit an der Leitlinie geleitet hat, den Hintergrund für diese Empfehlung.
Die intensive Beratung ist laut den Leitlinienautoren zur Prävention geeignet, gelange aber an Grenzen, wenn es um die MOH-Behandlung gehe. Denn grundsätzlich muss immer ein Entzug oder zumindest eine sanfte Reduzierung der Übergebrauchsmedikamente erfolgen, um den MOH langfristig zu therapieren.
Die alleinige Beratung könne bei Übergebrauch von Triptanen oder einfachen Analgetika zielführend sein, wenn keine größeren psychiatrischen Komorbiditäten vorlägen – bei Übergebrauch von Opioiden, Barbituraten oder Tranquilizern rät die Leitlinie aber zur Überweisung an einen Kopfschmerzexperten oder in ein spezialisiertes Schmerzzentrum.
Wichtig sei, dass die Betreuung multidisziplinär erfolge – neben Neurologen sollten auch Schmerzmediziner und Verhaltenspsychologen eingebunden sein.
„Bei einer Prävalenz von 70 Prozent bei Patienten mit chronischen Kopfschmerzen, das sind geschätzt über eine halbe Million Menschen, ist die MOH ein relevantes Gesundheitsproblem, das eine gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeit erfahren sollte“, sagte Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.
Die europäische Leitlinie werde hoffentlich vielen Betroffenen zur Schmerzfreiheit oder zumindest einer deutlichen Verbesserung der Kopfschmerzen verhelfen.
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