Politik

Krankenhäuser: Kritik an Versorgungsanalyse der Regierungskommission

  • Mittwoch, 28. Juni 2023
/dpa
/dpa

Berlin – Weiterhin teils scharfen Widerspruch erntet die kürzlich vorgelegte Analyse zur Auswirkung von Spe­zialisierung und Erfahrung auf den Erfolg von Krankenhausbehandlungen.

Die Regierungskommission Krankenhaus hatte betont, würden bestimmte medizinische Behandlungen – etwa Schlaganfälle und Krebserkrankungen – ausschließlich in dafür spezialisierten Kliniken durchgeführt, ver­besser­ten sich Versorgungsqualität und häufig auch die Wahrscheinlichkeit Leben zu retten.

Nachdem bereits die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) die Herleitung der Ergebnisse als „wissen­schaftlich zweifelhaft“ kritisiert hatte, erheben jetzt weitere Akteure der Versorgung ähnliche Einwände.

Als „fachlich nicht haltbar und irreführend“ wiesen die Präsidenten der Ärztekammern Nordrhein und Westfa­len-Lippe (ÄkNo/ÄKWL) sowie der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) die Darstellungen der Regierungskommission zur Schlaganfallbehandlung zurück.

Die Kommission lasse bei ihrer Analyse von Abrechnungsdaten der Krankenkassen nicht nur die Expertise der neurologischen Fachärzte in den Krankenhäusern außen vor. Ihr fehle offensichtlich auch die detaillierte Kenntnis über die qualitätsgesicherten Strukturen der Schlaganfallbehandlung in den Bundesländern.

„Die längst etablierten Abläufe für Patientinnen und Patienten mit einem klar diagnostizierbaren Schlaganfall sorgen dafür, dass sie unmittelbar in ein Krankenhaus mit einer Stroke Unit gebracht werden“, betonten heute die drei Präsidenten Rudolf Henke (ÄKNO), Johannes Albert Gehle (ÄKWL) und Ingo Morell (KGNW).

Dass nur GKV-Spitzenverband, AOK-Bundesverband und das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO), nicht aber medizinische Experten hinzugezogen wurden, stelle die Stellungnahme in ein fragwürdiges Licht, so die generelle Kritik.

Die von der Regierungskommission gewählte Vorgehensweise lasse zudem keine umfänglichen Rückschlüsse zu, sondern stoße an elementare Grenzen, da im Wesentlichen Daten der Krankenkassen genutzt wurden. Eine sorgfältige Einzelfallanalyse zu den Beweggründen einer Schlaganfallversorgung außerhalb von Stroke Units fehle, bemängeln ÄKNO, ÄKWL und KGNW.

Für die Präsidenten von ÄKNO, ÄKWL und KGNW steht zudem fest, dass die Kernforderungen der Stellung­nahme der Regierungskommission zumindest in Nordrhein-Westfalen (NRW) bereits umgesetzt sind – jeder rettungsdienstlich identifizierte oder vermutete Schlaganfall werde leitliniengerecht in eine Stroke Unit gebracht.

Die bisher bekannten Überlegungen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) führten darum zu keiner weiteren Verbesserung der Schlaganfallversorgung. Man sei aber „besorgt, dass die plakativen Aussagen der Regierungskommission die Gespräche zwischen Bund und Ländern über gemeinsame Vorgaben für eine Krankenhausreform unnötig belasten“.

Kritik auch aus Hamburg

Auch die Hamburgische Krankenhausgesellschaft wies pauschale Qualitätsmängel nachdrücklich zurück und verwies am Beispiel der Behandlung des akuten Schlaganfalls in Hamburg auf gegenteilige Ergebnisse.

Das Ziel einer Schlaganfallbehandlung in dafür spezialisierten Einrichtungen sei in Hamburg bereits seit 2009 vollständig umgesetzt, betonte Joachim Gemmel, erster Vorsitzender der Hamburgischen Krankenhaus­gesellschaft. Daten aus dem Jahr 2021 würden zeigen, dass mehr als 99 Prozent der Patienten mit Schlagan­fall unmittelbar in einem Krankenhaus mit Stroke Unit behandelt wurden.

„Die Interpretation der Zahlen durch die Kommission ist an entscheidenden Stellen schlicht mangelhaft und führt zu falschen Schlussfolgerungen“, kommentierte Sara Sheikhzadeh, Chief Medical Officer (CMO) der Asklepios Kliniken Gruppe, die Stellungnahme der Regierungskommission.

Die vorgelegten Zahlen seien zwar valide, aber bestimmte Aspekte seien in der Stellungnahme vereinfacht beziehungsweise unzulässige Schlüsse gezogen worden, so Sheikhzadeh. So sei beispielsweise unklar, ob bei den genannten Daten für die kleineren Krankenhäuser der Schlaganfall immer die führende Diagnose oder überhaupt die Diagnose bei der Aufnahme in das Krankenhaus war.

Deutliche Kritik übt Asklepios auch an der Kommissionsanalyse zum Bereich der onkologischen Versorgung. „Die zugrunde gelegten Daten stammen von 2009 – 2017, und spiegeln die heutige Versorgungssituation nur unzureichend wider“, sagte Sheikhzadeh.

Die Krankenhäuser seien längst dabei, die Behandlungsqualität zu verbessern – etwa über vielfältige Speziali­sierungen und Zertifizierungen von Fachabteilungen, Zentren und Kliniken. „Die Reformpläne schaffen in die­ser Hinsicht keinen zusätzlichen Nutzen“, so die Asklepios Vorständin.

„Die neue Stellungnahme der Regierungskommission bringt uns in der Reformdiskussion nicht weiter“, warnte auch Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbands Deutschland (kkvd). Sie basiere auf „veralteten und kaum aussagefähigen Abrechnungsdaten“ der Krankenkassen – deshalb könne von wissenschaftlich fundierten Diskussionsgrundlagen nicht die Rede sein.

„Gute Behandlungsqualität bemisst sich nicht an der puren Größe eines Hauses, sondern an der medizinisch-pflegerischen Expertise und Erfahrung in den jeweiligen Fachabteilungen. Angesichts ihres breiten Aufgaben­portfolios ist nicht zwingend davon auszugehen, dass große Kliniken auch in der Regelversorgung Spitzen­leistungen erbringen“, so Rümmelin. Maßgeblich sei, ob die geforderten Qualitäts- und Strukturkriterien einer Leistungsgruppe vorgehalten werden, wie es die Krankenhausplanung in NRW vorsehe.

EB/aha/may

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung