Politik

Krankenkassen kritisieren Querfinanzierung der Pflegestellen

  • Mittwoch, 23. Mai 2018
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Berlin – Kaum hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Eckpunkte für eine Pflegereform vorgestellt, hagelt es auch Kritik. Die Krankenkassen sehen zwar ein, dass die Personalsituation in der Pflege verbessert werden muss, kritisierten aber zugleich die „geplante Querfinanzierung“ der neuen Pflegestellen aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

„Nicht zuletzt vor dem Hintergrund sprudelnder Steuereinnahmen ist es an der Zeit, über die Einführung eines steuerfinanzierten Bundeszuschusses für die Pflege­versicherung nachzudenken“, erklärte Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenver­bandes. Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz will, dass der Bund Steuermittel in die Pflege investiert. Der Verband sieht angesichts der Koalitionspläne zudem keine Spielräume für die von Spahn anvisierten Beitragssenkungen in der Kranken­versicherung.

Tragfähige Finanzstrategien verlangt

„Wir dürfen zudem nicht die Augen davor verschließen, dass die Maßnahmen für mehr Pflege auch mehr Geld kosten werden – und zwar sowohl in der Pflegeversicherung wie auch in der Krankenversicherung“, sagte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen. Dazu brauche es aber tragfähige Finanzierungsstrategien. Die Pläne passten nicht zu den Vorhaben der Politik, die Krankenkassen zu zwingen, ihre Beitragssätze abzusenken. „Ein Auf und Ab bei den Beitragssätzen ist nicht zielführend“, so Elsner.

Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) pochen auf einen wirksamen Einsatz zusätzlicher Mittel gegen die Personalnot in der Pflege. „Wenn mehr Geld fließt, muss sichergestellt werden, dass es auch bei den Pflegekräften ankommt“, sagte der Vorstandschef des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch. Finanzielle Belastungen müssten fair auf alle Krankenkassen verteilt werden. „Es darf kein Nachteil sein, wenn eine Kasse überdurchschnittlich viele Pflegebedürftige versichert.“

„Wir sind überzeugt, dass auf die Gesundheitsversorgung und Gesunderhaltung von Beschäftigten in der Pflegebranche ein stärkeres Augenmerk gerichtet werden muss, um dem hohen körperlichen und psychischen Belastungen des Pflegepersonals gerecht zu werden“, erklärte Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverbands. Er plädiert für eine nachhaltige Entlastung der Beschäftigten, bei der betriebliche Gesundheitsförderung und betriebliches Gesundheitsmanagement stärker als bisher einbezogen werden müssten.

„13.000 neue Stellen in Alten- & Krankenpflege sind besser als nichts, reichen aber nicht. Wo sollen die Pflegekräfte denn herkommen? Dafür braucht es als Anreiz bessere Bezahlung & Arbeitsbedingungen sowie eine Weiterbildungsoffensive“, twitterte Katrin Göring-Eckardt, Grüne Fraktionsvorsitzende im Bundestag, heute.

Kordula Schulz-Asche, pflegepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, nannte die geplante Stellenaufstockung „löblich“. Diese decke aber bei Weitem nicht den tatsächlichen Bedarf in der Pflegebranche. Vor Spahn liege noch „ein meilenweiter Weg, um den Notstand tatsächlich zu beheben“.

Sie bemängelte, dass im Eckpunkte­papier zudem die Kostensteigerungen fehlen, die durch die geplanten Maßnahmen auf die Versichertengemeinschaft zukommen würden. Alternativ zu der von Spahn bereits angekündigten Beitragserhöhung der Pflege­versicherung um 0,2 Prozentpunkte sollte daher über einen Bundeszuschuss nachgedacht werden, um die Mehrkosten wesentlich solidarischer zu finanzieren, mahnte sie.

Nebelkerze geworfen

Die pflegepolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag, Nicole Westig, sprach von einer Nebelkerze. „Bereits jetzt können offene Stellen nicht besetzt werden, der Markt ist leergefegt“, sagte sie. In Deutschland sind laut Bundesregierung mehr als 35.000 Pflegestellen derzeit nicht besetzt.

Dem Präsidenten der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, zufolge ermöglichen die Pläne es den Kliniken, ihr Pflegepersonal aufzustocken. Problematisch bewerter er die Ankündigung, die Tarifsteigerungen lediglich im Bereich der Pflege voll zu vergüten. Dies müsse auch für Physiotherapeuten, Hebammen oder Logopäden gelten, so Gaß.

„Die großen Probleme Personalmangel und Bezahlung in der Altenpflege werden nicht gelöst“, erklärte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler.

Nur erster Schritt

Rückendeckung erhielt Spahn von der gesundheitspolitischen Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karin Maag. Die GKV übernehme sofort die Kosten für 13.000 neue Stellen in Einrichtungen der Altenpflege. „Wir gehen damit bewusst über die zugesagten 8.000 Stellen im Koalitionsvertrag hinaus, damit alle Einrichtungen von dieser sofortigen Unterstützung profitieren können“, sagte Maag.

Dabei sei allen klar, dass diese Sofortmaßnahmen nur erste Schritte seien, um die Situation in der Pflege nachhaltig zu verbessern und die Pflegeberufe attraktiver zu machen. „Deswegen geben wir gleichzeitig die Zusage, dass wir in den kommenden Jahren daran weiterarbeiten werden, beispielsweise in einer konzertierten Aktion mit den Tarifpartnern und mit der Einführung von Personaluntergrenzen für alle bettenführenden Abteilungen im Krankenhaus sowie der Entwicklung verbindlicher Personalbemessungsinstrumente für die Langzeitpflege“, versprach sie.

may/afp/dpa

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