Krankenkassen sehen Griff nach Pflegefonds kritisch

Berlin – Krankenkassen kritisieren Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), in diesem Jahr die Zahlungen in den Pflegevorsorgefonds auszusetzen, um das Defizit in der Pflegeversicherung auszugleichen.
„Das Sondervermögen war eigentlich dafür gedacht, die Auswirkungen des demografischen Wandels in 20 Jahren für die Babyboomerjahrgänge abzufedern“, erklärte die Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), Ulrike Elsner, heute in Berlin.
Jetzt sollten Beitragsmittel zweckentfremdet werden, um die aktuellen Probleme der Pflegeversicherung zu lösen. „Das ist ein ungerechtfertigter Eingriff des Staates in das Sondervermögen des Pflegevorsorgefonds.“
Zudem werden laut Elsner die durch die Aussetzung erzielten 1,6 Milliarden Euro bei Weitem nicht ausreichen, um das Defizit Ende 2022 auszugleichen und die gesetzliche Pflegeversicherung stabil in den Folgejahren zu finanzieren.
Die Vorstandsvorsitzende wies auf weitere Ausgabensteigerungen hin: Bis zum Sommer 2023 müsse das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Berücksichtigung der Zahl der Kinder bei der Beitragsbemessung umgesetzt werden. Hinzu kämmen weiterhin coronabedingte Mehrbelastungen und die steigende Zahl von Pflegebedürftigen.
„Wir brauchen keine weitere Flickschusterei in der Pflegeversicherung, sondern jetzt – und nicht erst im Sommer 2023 – eine solide und verlässliche Finanzreform“, forderte Elsner. Sie forderte einen dauerhaften und dynamisierten Steuerzuschuss, die Einbeziehung der Privaten Pflegeversicherung in den Ausgleichsfonds und – zur finanziellen Entlastung der Pflegebedürftigen – die vollständige Investitionskostenübernahme der Pflegeheime durch die Länder.
Kritik kam auch vom Direktor des Verbands der Privaten Krankenversicherung, Florian Reuther. Lauterbachs Pläne gingen „zu Lasten der jungen Generation, die mit diesem Fonds eigentlich entlastet werden soll“, sagte er. „Nachhaltige Vorsorge braucht einen langen Atem.“ Reuther plädierte für mehr private kapitalgedeckte Vorsorge; sie sei vor dem Zugriff der Politik geschützt.
Der Vorsorgefonds war 2015 durch die Große Koalition errichtet worden. Damit soll der Beitrag ab 2034 stabilisiert werden, wenn viele der Babyboomer Pflege benötigen. Der Fonds wird paritätisch finanziert. Ende Juni lagen im Fonds circa 10 Milliarden Euro. Im Pflegevorsorgefonds werden jährlich 0,1 Beitragspunkte angelegt. Das entspricht rund 1,6 Milliarden Euro.
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