Politik

Krebsmedikamente größte Arzneimittelgruppe bei Nutzenbewertungen

  • Donnerstag, 7. Juni 2018
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Hamburg – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat bis Ende 2017 in 277 Verfahren 186 neue Wirkstoffe auf einen Zusatznutzen hin geprüft. Davon waren 57 Prozent neue Wirkstoffe zur Behandlung von Krebserkrankungen. 68 Prozent davon konnte ein konkreter Zusatznutzen bescheinigt werden. Das berichtet die Krankenkasse DAK-Gesundheit in einem aktuellen Report zum Arzneimittelmarkt­neuordnungsgesetz (AMNOG-Report).

„Neue Wirkstoffe sind unabdingbar für die Verbesserung der medizinischen Versorgung. Doch nicht jedes neue Medikament hält auch, was es verspricht“, sagte Andreas Storm, Vorsitzender des Vorstandes der DAK-Gesundheit. Ein Problem des Verfahrens ist laut der Kasse: Die Bewertung des therapeutischen Mehrwertes dieser Arzneimittel erfolge unmittelbar nach Markteintritt und in der Regel nur einmalig. Die Bewertung zu diesem frühen Zeitpunkt erfolge dann häufig auf Basis weniger oder sehr unsicherer Daten, was teilweise zu unzureichenden Ergebnissen führe.

Daten zur Lebensqualität notwendig

„Insbesondere mehr und belastbarere Daten zur Lebensqualität wünschen wir uns“, sagte Storm. Diese Informationen seien aus Patientensicht besonders wichtig bei der Bewertung von Krebsmedikamenten. Oft ist laut DAK-Gesundheit aufgrund fehlender Daten aber nur die erwartbare Lebensverlängerung Grundlage für eine Nutzen­bewertung, nicht aber die konkrete Lebensqualität in dieser Phase.

Eine positive Entwicklung sieht der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (VFA). „Die wachsende Zahl von Krebsmedikamenten in der Zusatznutzenbewertung ist eine gute Nachricht: Denn sie zeigt die Vielzahl neuer therapeutischer Möglichkeiten für Patienten mit ganz unterschiedlichen Krankheitsverläufen“, sagte dessen Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer. Der G-BA verschenke keinen Zusatznutzen, betonte sie mit Blick auf die DAK-Kritik. „Die eingereichten Studiendaten sind belastbar, sonst würden Zulassungsbehörden und Bewertungsinstanzen sie nicht akzeptieren“, so Fischer.

Seltene Erkrankungen

Für Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen (Orphan Drugs) gilt ein Zusatznutzen immer als belegt. Erst nach Überschreiten einer Umsatzschwelle können diese uneingeschränkt bewertet werden – zuletzt immer häufiger mit einem negativen Ergebnis. „Die Privilegierung bestimmter Orphan Drugs ist vor diesem Hintergrund zu überdenken“, sagte Wolfgang Greiner, Gesundheitsökonom an der Universität Bielefeld und Autor des AMNOG-Reports 2018.

Er empfiehlt eine vollständige Nutzenbewertung für Medikamente zur Behandlung seltener Erkrankungen, wenn Therapiealternativen zur Verfügung stehen. „Für 55 Prozent aller Orphan Drugs wäre unter diesen Bedingungen bislang eine Nutzenbewertung möglich gewesen“, hieß es aus der DAK-Gesundheit.

Reformbedarf sehen die Autoren des AMNOG-Reports auch im Preisbildungsverfahren, besonders beim Mischpreis. Hintergrund ist, dass einige Arzneimittel, die eine Nutzenbewertung durchlaufen, für verschiedene Patientengruppen unter­schiedlich bewertet werden. Einen Zusatznutzen im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichs­therapie sieht der G-BA dann gegebenenfalls nicht für alle Patienten­gruppen, sondern nur für einige.

Die Festlegung eines Erstattungsbetrages begegnet dann der Schwierigkeit, einen einheitlichen Preis für Arzneimittel zu bilden, die für einen Teil der Patientengruppen einen Zusatznutzen aufweisen, für einen anderen Teil aber nicht. Bislang einigten sich Hersteller und Krankenkassen dann auf einen Mischpreis. Dieses Verfahren haben Gerichte aber angezweifelt. „Der Mischpreis in der gegenwärtigen Verfahrenspraxis ist eine Behelfs- beziehungsweise Kompromisslösung aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Systematik“, erklärte Greiner. 

Handlungsbedarf sehen die Autoren des Reports auch beim geplanten Arzt­informations­system, dass in seiner Form noch nicht konkretisiert sei. „Wir wollen die Versorgung der Patienten verbessern. Das aber geht nur, wenn die Ärzte auch alle nötigen Informationen bekommen, die sie für eine Therapieentscheidung brauchen“, sagte Storm.

hil

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