Krebsprävention: Zugeschnitten auf betreuende Angehörige

Heidelberg/Lyon – Angehörige von Krebspatienten können von einem personalisierten Programm zur Prävention eigener Krebserkrankungen profitieren, wie eine Studie aus Frankreich zeigte. Im Rahmen des 4. International Conference on Cancer Prevention (ICCP) stellte Pauline Vidican, Centre Léon-Bérard in Lyon, erste Ergebnisse vor.
Die Zahl der Krebserkrankungen nimmt weltweit zu. Für das Jahr 2050 rechne man, so Vidican, mit 35 Millionen neu diagnostizierten Krebserkrankungen und womöglich ebenso vielen Angehörigen, die den Betroffenen bei einigen oder allen täglichen Verrichtungen helfen würden.
Diese (informellen) Betreuenden haben womöglich ein erhöhtes Krebsrisiko, betonte die Medizinerin und nannte mehrere Gründe. So neigten sie etwa dazu ihre eigene Gesundheit zu vernachlässigen, entwickelten risikoreiche Verhaltensweisen und/oder teilten den gleichen Lebensstil wie die Erkrankten. Allerdings könnten sie ihr eigenes Krebsrisiko unter Umständen besser einschätzen und sehr motiviert sein, ihr Verhalten zu ändern.
Pilotstudie zu Akzeptanz und Durchführbarkeit
Ein Forschungsteam um Vidican, das auch drei Angehörige von Krebserkrankten einschloss, entwickelte nun ein personalisiertes Programm zur Prävention von Krebserkrankungen vor, das die pflegenden Angehörigen im Fokus hat. In einer Pilotstudie untersuchte es die Durchführbarkeit und Akzeptanz dieses Programms, das Teil eines größeren Projekts (informal cancer cargiver pathway) ist.
Während eines Zeitraums von 15 Monaten konnten die Forschenden 126 betreuende Angehörige einschließen und die Daten von 117 Personen analysieren. Dabei handelte es sich um Partner/Ehegatten (44 %), Eltern (29 %), Kinder (25 %) und Geschwister (2 %), die keine Krebserkrankung aufwiesen. Das durchschnittliche Alter betrug 49 Jahre, ungefähr zwei Drittel (65 %) waren Frauen. Die häufigsten Krebserkrankungen, die die Betroffenen hatten, waren Brustkrebs (31 %) und Lymphome (15 %).
Die betreuenden Angehörigen konnten an zwei Konsultationen teilnehmen: initial (n = 48) und vier Monate (n = 37) später, um mehr über die Interventionen zu erfahren. Im deren Mittelpunkt standen sechs verschiedene Risikofaktoren für die Krebsentstehung und die Früherkennung. Zu den Risikofaktoren gehörten Rauchen, Alkoholkonsum, Ernährung, Übergewicht, (mangelnde) körperliche Aktivität und UV-Bestrahlung.
Während der Intervention fanden die Teilnehmenden Unterstützung oder Informationen beispielsweise auf entsprechenden Webseiten oder durch Konsultationen mit Fachkräften aus dem Gesundheitswesen. So half etwa ein Ernährungsberaterin oder ein Ernährungsberater dabei, sich gesund zu ernähren.
Insgesamt durchlief fast ein Drittel (37 von 117) der ursprünglich rekrutierten Angehörigen das gesamte Programm. Von diesen waren alle damit zufrieden, die überwiegende Mehrheit (86,5 %) sogar sehr. Niemand bereute daran teilgenommen zu haben.
Hohe Zufriedenheit, aber noch Verbesserungsbedarf
In halbstrukturierten Interviews mit sieben Personen fand das Team heraus, dass die meisten der Befragten das Verhalten des medizinischen Personals und die für sie aufgewendete Zeit sehr schätzten. Viele berichteten, dass sie nach den Konsultationen, ihr Verhalten, vor allem hinsichtlich der Ernährung ändern wollten. Als wesentliche Motivation gaben sie die Krebserkrankung der Familienmitglieder und ihre Betreuung für die Betroffenen an.
„Wir können sagen, dass eine personalisierte Primärprävention für betreuende Angehörige akzeptabel ist“, fasste Vidican zusammen. Das Programm lasse sich zwar gut durchführen, aber die Umsetzung können noch deutlich verbessert werden. „Daraufhin beschlossen wir, unsere Intervention zu überarbeiten, bevor wir sie auf andere Standorte in Frankreich, Italien und Deutschland übertragen.“ Hierzulande ist das Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS verantwortlich.
Demnach sollen Vidican zufolge betreuende Angehörige identifiziert und zunächst zu einer virtuellen Begrüßung eingeladen werden. Danach können sie an zwei 45-minütigen Konsultationen teilnehmen. Eine wird von einer Psychologin oder einem Psychologen und einer Pflegekraft geleitet. Themen sind die Erfahrungen der Betreuenden sowie das Erfassen der psychologischen Belastung und sozialer Bedürfnisse und davon, welche Informationen notwendig sind.
In der anderen geht es im Austausch einer Ärztin oder einem Arzt und einer Pflegekraft um die physische Gesundheit und das Bewusstsein für Prävention sowie Gesundheitsförderung. Anschließend werden verschiedene Maßnahmen angeboten, von psychologischer Betreuung über Diskussionsgruppen bis hin zur Beratung durch Fachkräfte für Prävention.
„Die Prävention ist jetzt Teil eines umfassenderen Ansatzes. Wir wollen sie in einen globalen Ansatz, der die Bedürfnisse der betreuenden Angehörigen im Fokus hat, integrieren“, schloss Vidican.
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