Kreißsaal belegt: Berlins Babyboom führt zu ersten Engpässen
Berlin – Belegte Kreißsäle und zu wenig Zimmer für Mutter und Kind: Der Babyboom in der Hauptstadt stellt Berliner Kliniken zunehmend vor Herausforderungen. „Im Januar mussten zum Beispiel die Kreißsäle des Klinikums im Friedrichshain wegen des Andrangs an zwölf von 31 Tagen gesperrt werden“, sagte Astrid Steuber, Sprecherin des kommunalen Klinikkonzerns Vivantes. „Sie konnten nicht mehr von Rettungswagen angefahren werden.“ Aus dem Klinikum Neukölln berichtet eine Mutter, dass sie nach einem Kaiserschnitt unfreiwillig im Kreißsaal übernachtete – auf der Station war kein Bett mehr frei. Auch die Charité musste Schwangere bereits an umliegende Kliniken verweisen.
Natürlich bleibe kein Notfall unversorgt, betont Steuber. Und wenn noch genug Zeit bis zur Geburt bleibt, organisieren Vivantes und Charité die Niederkunft in einer anderen Berliner Klinik mit. Manchmal wird bei einer unproblematischen Geburt aber auch kurzerhand ein Mutter- und Kindzimmer zum Kreißsaal umfunktioniert. Oder Mütter kommen mit Neugeborenen vorübergehend auf der Gynäkologiestation unter. Das passt für die ärztliche und pflegerische Betreuung am besten zusammen.
In den Vivantes-Geburtskliniken kommt rund jedes dritte Berliner Kind zur Welt. 2016 waren es 12.602 – und damit 503 mehr als im Vorjahr. Ein Babynahrungshersteller zählte für 2016 an 18 Berliner Geburtskliniken 41.728 Niederkünfte. Die jüngste offizielle Zahl für 2015 lautet 37.368.
„Wir erleben gerade einen Babyboom in Berlin“, bestätigte Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD). Einen echten Engpass aber gebe es nicht. Babys könnten nur nicht mehr immer im Wunschkrankenhaus geboren werden.
Bisher haben sich Mütter einige Wochen vor der Geburt im Krankenhaus angemeldet. Inzwischen raten die Vivantes-Kliniken Neukölln und Friedrichshain dazu, das besser mehrere Monate im Voraus zu tun. Eine Garantie für einen Platz können sie dennoch nicht bieten. Beide Kliniken haben ein Perinatalzentrum und sind auf Komplikationen wie Frühgeburten eingestellt. Vielleicht sind sie deshalb bei werdenden Eltern so beliebt.
Auch Charité-Sprecherin Manuela Zingl spricht für 2016 von einem Geburtenrekord. 5.441 Babys erblickten an den beiden Uni-Geburtskliniken in Mitte und im Wedding das Licht der Welt. 2015 waren es 5.161, 2014 genau 5.110. Die Charité sieht einen ganzen Strauß von Ursachen: Migration, einen gesellschaftlichen Wandel mit größerem Kinderwunsch, geburtenstärkere Elternjahrgänge und, zu einem kleineren Teil, auch die Erfolge der Reproduktionsmedizin. Sie kann sich zum Beispiel an der wachsenden Zahl von Mehrlingsgeburten zeigen.
„Es werden eindeutig mehr Geburten, auch, weil Berlin eine wachsende Stadt ist“, ergänzte Vivantes-Sprecherin Steuber. Am Klinikum im Friedrichshain, das nah an Berlins östlichen Szenebezirken mit vielen jungen Paaren liegt, gab es seit dem Wendejahr 1989 nicht mehr so viele Niederkünfte. Allein im Januar waren es 289, noch einmal 20 mehr als zum Jahresanfang 2016. „Wir haben bereits einen zusätzlichen Behandlungsraum eingerichtet“, berichtet Steuber.
Hinter vorgehaltener Hand ist an einigen Geburtskliniken bereits der Wunsch nach einem Ausbau der Kapazitäten zu hören. Doch die Krankenhäuser können nicht einfach Kreißsäle anbauen oder Betten aufstocken. Dafür sind Änderungen im Krankenhausplan des Landes erforderlich. Das sind politische Entscheidungen.
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