Kritik am IQWiG-Bericht zu Biomarker-Tests

Berlin/Köln – Kritik am gestern vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) publizierten Abschlussbericht „Biomarker-basierte Tests zur Entscheidung für oder gegen eine adjuvante systemische Chemotherapie beim primären Mamma-Karzinom“ übt der Bundesverband Deutscher Pathologen. Der Hauptvorwurf des Verbandes: Das IQWiG habe sich auf einen Test fokussiert, der in Deutschland wie in den meisten anderen Ländern nur in untergeordnetem Umfang verwendet werde und vor mehr als 15 Jahren auf der Basis von nur 78 Patientinnen entwickelt worden sei.
„Die Kriterien, die das IQWiG bei der Auswahl der relevanten klinischen Studien angelegt hat, ignorieren auf unzulässige Weise die methodischen und konzeptionellen Fortschritte, die wir international in den letzten Jahren bei der Entwicklung und Validierung von Biomarkern erzielt haben“, sagte der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Pathologen, Karl-Friedrich Bürrig. Er kritisierte, dass IQWiG habe „trotz deutlich formulierter Kritik der wissenschaftlichen Gesellschaften“ am Vorbericht auch im nun vorgelegten Schlussbericht die Ergebnisse zahlreicher international akzeptierter prospektiv-retrospektiver Biomarkerstudien nicht berücksichtigt.
Kritik kommt auch von Frauenärzten: „Die Entscheidung für oder gegen Chemotherapie erfordert es, zahlreiche Faktoren reflektiert gegeneinander abzuwägen. Dazu gehört es natürlich auch, die Schädigungen, die eine Chemotherapie den betroffenen Frauen zufügen kann, mit zu betrachten“, sagte Marion Kiechle, Direktorin der Frauenklinik am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. Das IQWiG exerziere „die reine Lehre auf dem Rücken von jährlich mindestens 25.000 Brustkrebspatientinnen“, so ihr Vorwurf.
Das IQWiG weist diese Kritik sehr deutlich zurück. „Vorwürfe und Unterstellungen zur Einschätzung des IQWiG lenken vom wesentlichen Punkt ab: Zu den seit mehr als zehn Jahren verfügbaren Biomarkern gibt es immer noch keine belastbaren Daten, auch nicht zum lauten Versprechen, auf Basis ihrer Testergebnisse könnte Frauen mit Brustkrebs eine Chemotherapie ‚erspart‘ werden“, sagte Stefan Lange, stellvertretender Leiter des IQWiG, dem Deutschen Ärzteblatt.
Drei Prozentpunkte zusätzliche Rezidive oder gar Todesfälle innerhalb von fünf Jahren ohne Chemotherapie seien aber nicht irrelevant und wegzudiskutieren – zumal diese Zahl wegen der statistischen Unsicherheit auch deutlich höher sein könnte. Und über die Entwicklung innerhalb eines Zehn-Jahres-Zeitraums sei bisher nichts bekannt. „Dies (selbst)kritisch zu kommentieren, stünde den deutschen Experten gut an. Innovationen werden auch zukünftig dann erfolgreich sein, wenn die Evidenz überzeugt“, sagte Lange.
Der IQWiG-Bericht
Das IQWiG sollte in dem Bericht den Nutzen eines Einsatzes von Biomarkern für die Therapieentscheidung von Frauen untersuchen, bei denen unklar ist, ob sie überhaupt ein Rezidiv erleiden würden beziehungsweise ob ihr Krebs auf die Chemotherapie ansprechen würde. In beiden Fällen wäre eine Chemotherapie gegebenenfalls eine unnötige Belastung. Offen ist diese Frage insbesondere bei Patientinnen mit primärem Hormonrezeptor-positivem, HER2/neu-negativem Mammakarzinom, bei dem höchstens drei Lymphknoten befallen sind.
Aus methodischen Gründen konnte das IQWiG nur eine hochwertige Studie in seine Auswertung einbeziehen. Diese liefert aber nur Fünf-Jahres-Ergebnisse. Daher sind laut Institut noch keine gesicherten Bewertungen der Vor- und Nachteile eines Chemotherapie-Verzichts aufgrund niedriger Biomarker-Risikowerte möglich. „Niemand weiß genau, ob die Unterschiede zwischen den Gruppen mit und ohne Chemotherapie in den nächsten Jahren wachsen oder schrumpfen oder aber in beiden Gruppen etwa gleich viele weitere Fernmetastasen auftauchen werden“, so Lange.
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