Kritik an Spahns Mindestvorgaben zu Pflege und Intensivmedizin

Augsburg – Krankenhäuser, Ärzte und die Opposition haben erneut die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verordneten Mindestvorgaben zum Pflegepersonal kritisiert und vor Problemen bei Notfallversorgung und Intensivmedizin gewarnt.
Spahn hatte zum Jahresbeginn verpflichtende Untergrenzen festgelegt, wie viel Fachpersonal Krankenhäuser auf Intensivstationen und in den Abteilungen Geriatrie, Kardiologie und Unfallchirurgie mindestens vorhalten müssen. Ab 2020 sollen feste Mindestbesetzungen auch für in den Bereichen Herzchirurgie, Neurologie, neurologische Frührehabilitation und in Spezialstationen für Schlaganfall-Patienten gelten.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnte in der Augsburger Allgemeinen vor einer Gefahr für die Patientenversorgung in Deutschland durch die Untergrenzen. „Die schon jetzt spürbare Folge ist, dass ein Rettungswagen nicht immer das nächstgelegene Krankenhaus ansteuern kann, da die Klinik zuvor über die Leitstelle Kapazitäten abgemeldet hat“, sagte Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Auch müssten Klinken vermehrt geplante Operationen verschieben, um die Notfallversorgung aufrechtzuerhalten.
Derzeit seien mehr als 15.000 Stellen in der Krankenpflege unbesetzt, ergänzte Baum. „Fast alle Krankenhäuser sind schon jetzt auf der Suche nach Personal, können es aber aufgrund des leeren Arbeitsmarktes kaum einstellen.“ Die Politik müsse nicht nur die Pflege besser finanzieren, sondern auch Dokumentationsvorschriften entschlacken. Pflegekräfte müssen heute drei bis vier Stunden täglich für Bürokratiearbeit aufbringen. Das sei inakzeptabel.
Der Linken-Gesundheitsexperte Harald Weinberg kritisierte, die Untergrenzen seien starr, willkürlich und nicht am Pflegebedarf der Patienten ausgerichtet: „Es ist für viele Krankenhäuser sogar günstiger, dringend benötigte Betten in den pflegesensitiven Bereichen zu schließen.“
Auch der Chef des Marburger Bundes, Rudolf Henke, warnte vor Fehlentwicklungen und Problemen bei der ärztlichen Versorgung. Entscheidend sei, den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Henke verwies darauf, dass es bis 300.000 ausgebildete Pflegekräfte gebe, die sich von dem Beruf abgewandt hätten. „Mit Fantasie und Ehrgeiz“ solle es möglich sein, einen Teil davon zurückzugewinnen.
Experten von FDP und Grünen kritisierten Spahns Pläne ebenfalls und forderten eine verbindliche Personalbemessung, die sich am tatsächlichen Pflegebedarf orientiere. Einen entsprechenden Vorschlag wollen die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der Pflegerat und die Gewerkschaft Verdi bis Ende des Jahres vorlegen.
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