Ausland

Kritik an Trumps Klinikausflug trotz Coronainfektion

  • Montag, 5. Oktober 2020
US-Präsident Donald Trump fährt am Walter Reed National Military Medical Center in Bethesda vor seinen dort versammelten Anhängern vorbei. /picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Carlos Vargas
US-Präsident Donald Trump fährt am Walter Reed National Military Medical Center in Bethesda vor seinen dort versammelten Anhängern vorbei. /picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Carlos Vargas

Washington – Trotz seiner Infektion mit SARS-CoV-2 hat US-Präsident Donald Trump kurzzeitig das Krankenhaus verlassen und sich bei einer Fahrt im gepanzerten Wagen von Anhängern bejubeln lassen. In den USA meldeten sich Ärzte und Wissenschaftler zu Wort und warfen dem 74-Jähri­gen gefährliches Verhalten vor.

Das Weiße Haus hatte die Aktion gestern vor dem Walter-Reed-Krankenhaus nördlich von Washington verteidigt, die Fragen zur Sicherheit der anderen Personen im Wagen aufge­worfen hatten. Trumps Coronainfektion war am vergangenen Freitag bekanntgeworden. Es ist davon aus­zugehen, dass er noch ansteckend sein könnte.

US-Medienberichten zufolge saß Trump mit zwei Mitarbeitern des Secret Service in dem gepanzerten Wagen, mit dem er an den Fans vorbeigefahren wurde. Auf Fotos war zu er­kennen, dass der Beifahrer ein Plastikvi­sier über dem Gesicht, eine Atemschutzmaske und einen medizinischen Schutzanzug zu tragen schien. Trump trug lediglich eine Stoffmaske.

„Die Verantwortungslosigkeit ist erstaunlich“, schrieb der am Walter-Reed-Krankenhaus tätige Mediziner James P. Phillips auf Twitter und sprach von einem „politischen Theater“, das andere in Lebensgefahr bringe.

„Jede einzelne Person in dem Fahrzeug während dieser völlig unnötigen präsidentiellen Vorbeifahrt muss jetzt für 14 Tage in Quarantäne. Sie könnten krank werden, sie können sterben. Für politisches Theater. Befohlen von Trump, um ihre Leben für Theater zu riskie­ren. Das ist Wahnsinn“, schrieb Phillips.

„Eine wirkliche Demonstration der Stärke ist es, ein wahres Verständnis für die Schwere der Pandemie zu zeigen“, schrieb der US-Historiker Julian Zelizer auf Twitter und warf Trump vor, Menschen für seinen eigenen Vorteil unnötig in Gefahr gebracht zu haben.

Der Arzt und Wissenschaftler Eric Topol nannte es „absurd“, dass die Ärzte die Fahrt er­laubt hätten. Trotz des Optimismus der Mediziner habe man beim Coronavirus oft einen steilen Absturz des Zustands des Patienten sieben bis zehn Tage nach den ersten Symp­tomen erlebt. Optimismus könne verfrüht sein.

Per Hubschrauber ins Militärkrankenhaus

Nachdem Trump am Freitagabend – keine 24 Stunden nach seinem positiven Coronatest – per Hubschrauber in das Krankenhaus gebracht worden war, hatte es widersprüchliche Angaben zu seinem Gesundheitszustand gegeben.

Gestern gaben die die Ärzte schließlich zu, dass der Verlauf der Krankheit schwerer war als zunächst dargestellt. Das spiegelten auch die Medikamente wider. Weil seine Sauer­stoff­werte zwei Mal fielen, wurde Trump das Steroid Dexamethason verabreicht. Die Welt­gesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt den Wirkstoff bei der Behandlung schwer­kranker Patienten. Sie rät aber davon ab, dass Patienten mit einem leichten Verlauf mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Kortikosteroide behandelt werden.

Dennoch stellte der Arzt Brian Garibaldi eine baldige Entlassung aus der Klinik in Aus­sicht. Sollte es Trump weiterhin so gut gehen wie gestern, „hoffen wir, dass wir für eine Entlassung ins Weiße Haus bereits morgen planen können“. Die Behandlung könnte dann dort fortgesetzt werden.

In einer unmittelbar vor seinem Ausflug veröffentlichten Videobotschaft auf Twitter hatte Trump gesagt: „Wir bekommen großartige Berichte von den Ärzten.“ Er lobte seine Anhän­ger vor der Klinik als „großartige Patrioten“ und beschrieb seine Erkrankung als lehrrei­che Erfahrung. „Es war eine interessante Reise. Ich habe viel über COVID erfahren.“

Nach Trumps Infektion waren auch zahlreiche Ansteckungen in seinem persönlichen Um­feld bekannt geworden. Außer Ehefrau Melania Trump wurden unter anderem auch seine Beraterin Hope Hicks, sein Assistent Nicholas Luna sowie Wahlkampfchef Bill Stepien po­si­tiv auf das Virus getestet.

Einen Monat vor der Präsidentschaftswahl am 3. November wurden persönliche Auftritte des Republikaners bis auf Weiteres abgesagt. Trumps Herausforderer, der Demokrat Joe Biden (77), ist weiterhin unterwegs – anders als Trump zuvor weiter mit Maske. Sein Team verkündete gestern, dass Biden erneut negativ auf das Coronavirus getestet worden sei.

Es ist nicht klar, wann Trump das letzte Mal negativ getestet wurde und wann genau er das erste Mal ein positives Testergebnis erhielt. Seine Sprecherin Kayleigh McEnany machte gestern laut Journalisten im Weißen Haus keine eindeutigen Angaben dazu.

Das Wall Street Journal berichtete, Trump habe das Ergebnis eines ersten positiven Schnelltests am vergangenen Donnerstag für sich behalten. Er habe es bereits zum Zeit­punkt eines Fernsehinterviews gekannt, in dem er lediglich die Infektion seiner engen Be­raterin Hicks bestätigte. Als Ergebnis des Schnelltests wurde entsprechend der Vorga­ben im Weißen Haus ein weiterer Test veranlasst. Schnelltests gelten als weniger zu­verlässig als Labortests.

dpa

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