KV Westfalen-Lippe: Kein Benko-Investment, 100 Millionen auf dem Prüfstand

Berlin – Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) überprüft derzeit eigene Investments in Höhe von 100 Millionen Euro. Das teilte der KVWL-Vorstandsvorsitzende Dirk Spelmeyer dem Deutschen Ärzteblatt mit. Die Summe der bilanziellen Abschreibung lasse sich derzeit nicht beziffern und unterliege aktuell der Prüfung, sagte er.
Die KVWL hatte nach eigenen Angaben über sogenannte Schuldscheindarlehen (SSD) Geld in Grundstücke und Immobilien investiert. Bei einem Teil dieser Darlehen ist aufgrund der sich zuspitzenden Immobilienkrise die Rückzahlung gefährdet.
Mitte Februar hatte sich die KVWL von dem verantwortlichen Vorstandsmitglied Thomas Müller getrennt. Am 19. März soll es eine außerordentliche Vertreterversammlung zu dem Thema geben.
Worin die KV genau investiert hat, ist noch unklar. Derzeit könne man sich aus rechtlichen Gründen nicht zu den konkreten Investments, Beteiligten oder genauen Grundstücken äußern, hieß es. Der KVWL-Chef sagte dem Deutschen Ärzteblatt aber, man habe „keine Investments bei der Benko-Gruppe getätigt“.
Spelmeyer wies darauf hin, dass die Investierbarkeit durch ein Gutachten einer großen Rechtsanwaltsgesellschaft bestätigt worden sei, aber derzeit nochmals überprüft werde. Zu den Gründen für die Freistellung von Thomas Müller wollte er sich nicht äußern.
„Thomas Müller war der zuständige Ressortvorstand. Die Investitionen unterliefen den hierfür vorgesehenen Prozess in den zuständigen Abteilungen“, so Spelmeyer. Ob es dabei zu Fehlern gekommen sei, sei Gegenstand der derzeitigen Überprüfungen und könne „noch nicht abschließend bewertet werden“.
Am vergangenen Freitag hatten sich die Mitglieder der Vertreterversammlung (VV) der KVWL mit den Problemen rund um die Finanzanlagen der Körperschaft befasst. Spelmeyer sagte, es sei „sehr offen und hart in der Sache diskutiert“ worden. Der Vorstand habe den gewählten Vertretern der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten eine transparente und rückhaltlose Aufklärung zugesichert.
Bereits im vergangenen Oktober war – wie nun bekannt wurde – mit André Große Vorholt ein auf Wirtschaftsfragen spezialisierter Rechtsanwalt mit der Prüfung der risikobehafteten Finanzanlagen beauftragt worden.
Die KVWL sei bezüglich dieser Investitionen „in guter Gesellschaft“, sagte Große Vorholt am vergangenen Freitag nach Auskunft der KV. Diese Anlageform sei grundsätzlich für institutionelle Anleger durchaus üblich. Man habe es aber versäumt, die angebotenen Finanzprodukte detailliert zu prüfen und externe Gutachter zu beauftragen. Zusätzlich sei durch die mangelnde Streuung der Finanzanlagen ein Risiko entstanden.
Große Vorholt hat laut KV-Mitteilung deutlich gemacht, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich sei, das tatsächliche finanzielle Risiko seriös zu beziffern. Es gebe Abwertungsrisiken im zweistelligen Millionenbereich, hieß es. Was davon tatsächlich als bilanzieller Verlust zu Buche schlage, hänge von vielen Faktoren ab.
So könne sich zum Beispiel eine Belebung des Immobilienmarktes positiv auf die zur Rückzahlung anstehenden Schuldscheindarlehen auswirken. Um den Realverlust für die KVWL so gering wie möglich zu halten, warb Große Vorholt bei den ebenfalls anwesenden Vertretern des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums, das die Rechtsaufsicht über die KVWL ausübt, um Geduld und die Bereitschaft zu Gesprächen.
Aus der Vertreterversammlung kamen der KV zufolge Vorschläge, wie man in Zukunft solch problematische Situationen vermeiden könnte. Zu den diskutierten Maßnahmen gehörten ein stärkeres Einbeziehen externer Finanzfachleute sowie eine transparentere Informationspolitik.
Spelmeyer wies darauf hin, dass die derzeit zur Neubewertung anstehenden Finanzanlagen nur einen Teil des Anlagevermögens der KVWL ausmachten. „Die KVWL war und ist jederzeit in der Lage, alle finanziellen Forderungen gegen sie uneingeschränkt zu erfüllen“, so der KVWL-Chef.
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