Politik

Länder sehen Nachbesserungsbedarf beim Infektionsschutz­gesetz

  • Dienstag, 9. August 2022
/picture alliance, Paul Zinken
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Magdeburg/Berlin – Im Grunde nach gut, aber Nachbesserungsbedarf notwendig. Das ist der Tenor des heu­ti­gen Treffens der Gesundheitsminister von Bund und Ländern. Die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) tagte per Videoschalte und sprach über das geplante neue Infektionsschutzgesetz (IfSG).

Nach den Vorstellungen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sollen vom 1. Oktober an bundesweit weiterhin eine Maskenpflicht in Bus, Bahn und Flieger sowie neu eine Masken- und Testpflicht in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gelten.

Die Länder sollen selbst entscheiden, ob sie darüber hinaus in öffentlich zugänglichen Innenräumen oder im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) FFP2-Masken vorschreiben. Bei Kultur- und Sportveranstaltungen und in Restaurants soll es nach den Plänen der Bundesregierung Ausnahmen für ta­ges­­aktuell getestete, frisch geimpfte und frisch genesene Men­schen geben.

Der Status „frisch genesen“ beziehe sich auf eine Infektion in den ver­gangenen 90 Tagen, hatte Lauter­bach bei der Vorstellung der Pläne in der vergangenen Woche erläutert. Frisch geimpft heiße zudem: Mindestens drei verabreichte Impf­dosen und die letzte Im­pfung dürfe höchstens drei Monate her sein.

Aus Teilen der FDP und CDU gab es daran Kritik und Änderungswünsche. Die Ausnahmen zur Maskenpflicht in Innenräumen sehen auch die Länder kritisch. Sie haben heute darauf hingewiesen, dass die Ausnahmen für frisch Geimpfte und Genesene in der praktischen Umsetzung nur schwer kontrollier- und umsetzbar seien.

Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) verlangte bei dieser Drei-Monate-Regelung mehr Klarheit. „Die aktuellen Formulierungen sind da äußert missverständlich. Das Ziel kann ja nicht sein, alle drei Monate zu impfen. Der Bund muss vorlegen, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse ihn hier bewegen.“

Auf Kritik aus der Union, es handele sich um einen versteckten Impfzwang, reagierte der Minister auf Twitter. „Niemand empfiehlt eine Impfung alle 3 Monate. Das ist doch Polemik. Für wahrscheinlich 3 Monate schützen die neuen Impfstoffe vor Infektion. Vielleicht länger. Die Daten kommen. Im Gesetzentwurf steht, dass der Zeitraum, 3 Mon, angepasst werden kann“, schrieb Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Der Minister erklärte nach der heutigen Schalte, im Fall einer „ange­span­nten Pandemielage“ solle die Mas­ken­pflicht in Innenräumen die Regel sein. Nur in Ausnahmefällen soll davon abgewichen werden können. Da­durch werde die Notfallregel noch sicherer. „Von einem frisch Ge­impf­ten geht selbst dann ein relativ geringes Infektionsrisiko aus, wenn er keine Maske trägt.“

Indikatoren notwendig

Wichtig für die Länder sind darüber hinaus vom Bund festgelegte bundeseinheitliche Vorgaben für Indikato­ren, um ein einheitliches Vor­gehen im Hinblick auf weitergehende Schutzmaßnahmen gewährleisten zu können, hieß es heute von der GMK.

Niedersachsens Gesundheitsministerin Behrens will etwa beim neuen Infektionsschutzgesetz an bewährten Indika­toren wie der Krankenhausbelegung oder der Auslastung der Intensivstationen festhalten. „Ich finde, wir kön­nen auf die Indikatoren zurückgreifen, die sich bewährt haben und die wir in Deutschland haben“, hatte die Ministerin am Morgen NDR Info gesagt.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) betonte heute, er erwarte, dass Lauterbach nun das Ge­setz in zentralen Punkten anpasse – auch gegen mögliche Widerstände aus den Reihen der FDP. „Tatsache ist auch, dass der Bund die Schwellenwerte und Indikatoren konkreter definieren muss, damit die Länder einheit­liche Leitplanken für ihre Maßnahmen haben“, sagte er.

Es müsse klar sein, wann die Länder Verschärfungen beschließen könnten. Auch müsse sichergestellt sein, dass die Daten überhaupt valide vorlägen. „Nehmen wir zum Beispiel die Hospitalisierungsinzidenz: Um die Belastung des Gesundheitssystems verlässlich, umfassend und ohne erhebliche Bürokratie beurteilen zu können, müssen die Kliniken die Behandlungskapazitäten auf den Normal- und Intensivstationen künftig tagesaktuell und unmittelbar über das digitale Informationssystem der Krankenhäuser direkt an Landesmel­destelle und RKI melden können“, so Holetschek.

Dafür brauche man dringend das Meldesystem DEMIS und die dafür erforderlichen Schnittstellen. Aber ob das Mitte September reibungsfrei funktionieren werde, da habe er seine Zweifel. „Der Bund muss die technischen Voraussetzungen dafür schaffen.“ Neben nach­geschärften Indikatoren sieht er auch Nachbesserungsbedarf bei beim Thema Impfen.

„Ich habe heute noch einmal unsere wichtigsten Anliegen deutlich gemacht. Dazu gehört eine stringente Kommunikation zu Auffrischungsimpfungen“, sagte er. Es brauche „eine klare Einschätzung“ der Ständigen Impfkommission (STIKO), wer sich impfen lassen könne, mit welchem Impfstoff das möglich sei und wie lange der Schutz anhalte. „Ich habe angeregt, dass STIKO-Chef Thomas Mertens hierzu persönlich in der GMK hierzu Stellung nimmt.“

Außerdem sollte der Bund die einrichtungsbezogene Impfpflicht zum Ende des Jahres auslaufen lassen und den Vollzug schon zum 1. Oktober aussetzen. Das ist wichtig für die ohnehin belasteten Einrichtungen. Grund­sätzlich würde ich es auch begrüßen, wenn sich das Robert Koch-Institut zur Frage der Isolationspflicht für Coronainfizierte äußern würde. Auch RKI-Chef Lothar Wieler wäre in der GMK herzlich willkommen.“

Der Minister kritisierte auch das holperige Gesetzgebungsverfahren. Holetschek erklärte: „Leider kam der Ge­setzentwurf sehr spät. Die Länder wurden heute in der GMK zum ersten Mal richtig eingebunden.“ Schon in zwei Wochen befasse sich das Bundeskabinett mit dem Infektionsschutzgesetz, und am 16. September solle es dann im Bundesrat behandelt werden. „Am 23. September läuft das alte Gesetz aus. Da ist schon zeitlich kaum Raum für die Länder, auf die Inhalte einzuwirken.“

Bei allen Differenzen fand die GMK-Vorsitzende, Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD), aber auch freundliche Worte. „Der jetzt vorgelegte Vorschlag ist eine gute Grundlage, damit die Länder einen Instrumentenkasten zur Verfügung gestellt bekommen, um auf das Pandemiegeschehen im Herbst reagieren zu können“, sagte sie.

Die bundeseinheitlichen Maßnahmen wie die Maskenpflicht im Flug- und Fernverkehr böten „Leitplanken für die Bewältigung der Herbstwelle“. Zugleich bekämen die Länder Befugnisse, um weitergehende Schutzmaß­nah­men anzuordnen.

dpa/may

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