Landgericht Berlin stoppt Neufassung der S3-Leitlinie Neuroborreliose

Berlin – Die Neufassung der S3-Leitlinie Neuroborreliose darf von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) nach einer einstweiligen Verfügung des Berliner Landgerichts (Az.: 19 O 349/17) bis auf Weiteres weder verabschiedet noch veröffentlicht werden. Das hat das Gericht kurz vor den Weihnachtsfeiertagen entschieden, wie aus dem Beschluss hervorgeht, der dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) vorliegt. Für Zuwiderhandlung wurde ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro festgesetzt, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten.
Den Antrag bei Gericht gestellt hatten die an der Leitlinienentwicklung beteiligten Patientenorganisation Borreliose und FSME Bund Deutschland sowie die Deutsche Borreliose-Gesellschaft. Hintergrund des Rechtsstreits ist nach Angaben des Borreliose und FSME Bund Deutschland, dass die DGN die von den Patientenverbänden abgegebenen Dissenshinweise zur Leitlinie lediglich in den Leitlinienreport und nicht in den Leitlinientext aufnehmen wollten. Nach Aussage des Borreliose und FSME Bund Deutschland wird der Leitlinienreport von Behandlern und Gutachtern „in der Regel nicht gelesen“.
Vorwürfe der Patientenverbände
Der Borreliose und FSME Bund Deutschland betonte heute, das Gericht habe mit der einstweiligen Verfügung bestätigt, dass sich die Deutsche Gesellschaft für Neurologie an die „anerkannten Regularien der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) zu halten habe, wonach die begründeten Sondervoten beider Antragssteller in den Leitlinientext aufzunehmen“ seien. Sie fordert eine Rückkehr an den Verhandlungstisch, um die Leitlinie „patientenwürdig und praktikabel zu überarbeiten“.
„Ohne die Chance, die aus zahllosen Patientenerfahrungen und Behandlungsfällen erwachsenen wichtigen Erkenntnisse, zum Beispiel zur Wirksamkeit von länger dauernden und wiederholten Antibiotikabehandlungen, zur Kenntnis nehmen zu können, drohen als Konsequenzen der bisherigen Leitlinienversion fehlerhafte und irreführende Diagnostik, Therapieverweigerungen, Fehlbehandlung mit Folgen, fehlerhafte Gutachten sowie unrichtige und unkritische Rechtsprechung“, teilte der Borreliose und FSME Bund Deutschland mit.
In den Dissenshinweisen, die dem DÄ vorliegen, kritisiert der Verein unter anderem, nicht ordentlich in die Leitlinienarbeit eingebunden gewesen zu sein. Darüber hinaus werden Zweifel an der Unabhängigkeit der Leitlinienautoren laut.
Die DGN konnte auf Nachfrage zeitnah keine Stellungnahme abgeben, will sich aber im neuen Jahr zu den Vorgängen äußern. Ob die DGN gegen die einstweilige Verfügung vorgeht ist daher unklar. Die AWMF, gegen die die Patientenverbände ebenfalls eine einstweilige Verfügung angestrengt hatten, konnte sich inhaltlich nicht äußern. Das Berliner Landgericht hatte die einstweilige Verfügung gegen die AWMF aber auch als unzulässig abgewiesen, weil der Gerichtsstand Frankfurt am Main ist.
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