Lebenskrisen beeinflussen die Berufstätigkeit
Berlin – Kritische Lebensereignisse wie eine schwere Krankheit, der Tod eines nahen Angehörigen oder eine Trennung vom Partner belasten die Gesundheit und beeinflussen auch die Berufstätigkeit. Einer Befragung von 2.000 Beschäftigten zufolge, die das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) durchgeführt hat, berichteten knapp 59 Prozent von körperlichen und 79 Prozent von psychischen Problem infolge von Krisen. Das gab der AOK-Bundesverband heute vor der Presse im Rahmen seines Fehlzeiten-Reports 2017 bekannt.
„Mehr als jeder Zweite der Betroffenen fühlt sich in seiner beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt, ebenfalls knapp jeder Zweite geht trotzdem zur Arbeit“, berichtete Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO. „Die Folgen für Beschäftigte und Arbeitgeber sind gravierend“, fügte er hinzu.
Verständnisvolle und rücksichtsvolle Vorgesetze als hilfreich erlebt
Die Befragungsergebnisse zeigten, dass Führungskräfte bei akuten Krisen ihrer Mitarbeiter eine wichtige Rolle spielen, vor allem wenn sie verständnisvoll und rücksichtsvoll reagieren und Gespräche anbieten. 42 Prozent der Befragten gaben dies als hilfreich an. Auch flexiblere Arbeitszeiten/Teilzeit (20 Prozent) oder unbezahlter Urlaub/ Sonderurlaub (zwölf Prozent) sowie die Vermittlung in professionelle Hilfe (zwölf Prozent) wurden von den Betroffenen als unterstützend erlebt.
Beschäftigte, die das soziale Verhalten ihres Vorgesetzten positiv beurteilten, gaben fünfmal häufiger den Vorgesetzten, aber auch doppelt so häufig die Arbeitskollegen als Gesprächspartner bei der eigenen Krise an, als Beschäftigte, die das Vorgesetztenverhalten negativ beurteilten. Außerdem kannten Erstere mehr hilfreiche Anlaufstellen im Betrieb.
Kleine Betriebe bieten weniger Unterstützung an
Fast ein Fünftel der von einer Lebenskrise Betroffenen gaben an, keine betriebliche Unterstützung erhalten zu haben (19 Prozent). „Viele Unternehmen wissen um die hohe Relevanz betrieblicher Angebote bei Lebenskrisen. Einen Nachholbedarf sehen wir jedoch bei kleinen Betrieben mit unter zehn Mitarbeitern“, betonte Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. Dabei müsse nicht jede Maßnahme vom Betrieb selbst angeboten werden.
„Wir setzen beispielsweise mit einem Projekt der AOK Rheinland/Hamburg auf Betriebspartnerschaften“, erklärte Litsch. Unter Anleitung der Krankenkasse führen dabei verschiedene Betriebe in einer Region gemeinsam Maßnahmen zum betrieblichen Gesundheitsmanagement durch. Dabei treffen sich beispielsweise die Geschäftsführer zu Vorträgen zu Themen wie „gesunde Führung“, Gesprächsführung oder Arbeitsplatzgestaltung.
Bahn bietet Betreuungsprogramm
Als besonders gutes Beispiel für betriebliches Gesundheitsmanagement präsentierte sich die Deutsche Bahn. „Wie nehmen unsere Verantwortung insbesondere für Lokführer und Zugbegleiter, die traumatischen Ereignissen wie einem Schienensuizid ausgesetzt sind, sehr ernst“, betonte Christian Gravert, Leiter Gesundheitsmanagement der Deutschen Bahn AG, bei der Pressekonferenz.
Jährlich ereignen sich nach Angaben des Statischen Bundesamtes rund 700 Schienensuizide. Im Mittelpunkt der Mitarbeiterfürsorge steht Gravert zufolge ein Betreuungsprogramm zur Vermeidung von Posttraumatischen Belastungsstörungen. „Dank dieses umfassenden Programms gelingt den Mitarbeitern auch nach traumatischen Ereignissen fast immer die berufliche Wiedereingliederung“, berichtete er.
Fehlzeiten verdoppelt
Insgesamt zeigt der Fehlzeitenreport der AOK, dass die Fehltage aufgrund psychischer Beschwerden in den vergangenen zehn Jahren bei AOK-Versicherten um 79,3 Prozent zugenommen haben. Mit 25,7 Tagen je Fall dauerten die Krankheitsausfälle zudem mehr als doppelt so lange wie der Durchschnitt mit 11,7 Tagen. Der Krankenstand bei den AOK-Versicherten ist im Jahr 2016 mit 5,3 Prozent im Vorjahresvergleich stabil geblieben. Damit hat jeder Beschäftigte im Schnitt 19,4 Tage aufgrund einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Betrieb gefehlt.
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